Repräsentation und Analyse von Bewegungsinformationen in den kortikalen Komponenten des visuellen Systems der Katze

Die Wahrnehmung und Repräsentation der täglichen Umgebung stellt eine der wichtigsten Aufgaben des visuellen Systems dar. Die Fähigkeit, vor einer gewohnten Szenerie spezifische Änderungen zu detektieren, wie beispielsweise anpirschende Prädatoren oder ahnungslose Beutetiere, stellt das Überleben in...

Full description

Bibliographic Details
Main Author: Peter, Mathias
Format: Others
Language:de
Published: 2019
Online Access:https://tuprints.ulb.tu-darmstadt.de/9134/1/DissertationMPeter.pdf
Peter, Mathias <http://tuprints.ulb.tu-darmstadt.de/view/person/Peter=3AMathias=3A=3A.html> : Repräsentation und Analyse von Bewegungsinformationen in den kortikalen Komponenten des visuellen Systems der Katze. Technische Universität, Darmstadt [Ph.D. Thesis], (2019)
Description
Summary:Die Wahrnehmung und Repräsentation der täglichen Umgebung stellt eine der wichtigsten Aufgaben des visuellen Systems dar. Die Fähigkeit, vor einer gewohnten Szenerie spezifische Änderungen zu detektieren, wie beispielsweise anpirschende Prädatoren oder ahnungslose Beutetiere, stellt das Überleben in einer sich schnell verändernden Welt sicher. Die Menge an Informationen, die für eine adäquate Wahrnehmung der Szenerie notwendig ist, muss präzise und zeitlich effizient verarbeitet werden. Dabei handelt es sich vor allem um teilweise ineinander greifende Formen, die Bewegungen in spezifische Richtungen mit bestimmten Geschwindigkeiten vollführen. Diese müssen in ihre zugrundeliegenden Elemente Geschwindigkeiten, Richtungen und Orientierungen abstrahiert werden. Diese Abstraktion findet in der Großhirnrinde der Säugetiere durch die spezifische Aktivität von Neuronenpopulationen statt, die auf diese Elemente selektiv reagieren. Die gezielte Interaktion der Neuronenpopulationen untereinander über die Grenzen einzelner Bereiche des Großhirns hinweg stellt eine adäquate Kodierung und Integration der Informationen sicher. Doch die Extraktion, Kodierung und Integration der Bestandteile einer visuellen Szenerie kann mit verschiedenen Problemen verbunden sein, wie einer Fragmentierung der Daten oder abrupten Wechseln von Bewegungsrichtungen. Dies führte zu einer Theorie, nach der die Repräsentation von Bewegungsrichtungen, Geschwindigkeiten und Orientierungen die natürliche Statistik der Umgebung widerspiegeln und sich als Funktion der Position im Gesichtsfeld verändert. Daher findet die Prozessierung unter Zuhilfenahme des erfahrungsgestützten Vorwissens, sogenannten “Prior“, statt, um die Effizienz der neuronalen Kodierung zu erhöhen und auch fragmentarische Objekte zu identifizieren [Rao und Ballard 1999, Lee und Mumford 2003, Knill und Pouget 2004]. In dieser Studie wurde die Organisation von richtungs- und geschwindigkeitsselektiven Neuronenpopulationen in Area 18 des primären visuellen Kortex der Katze durch optische Ableitungen mit spannungssensitiven Farbstoffen untersucht. Insbesondere die kortikale Repräsentation unterschiedlicher Bewegungsrichtungen und Geschwindigkeiten in den peripheren Anteilen des Gesichtsfeldes und ihre Antwortdynamiken waren zentrale Fragestellungen dieser Arbeit. Die gezielte Stimulation geschwindigkeitsselektiver Neuronenpopulationen zeigte eine räumliche Verteilung über die untersuchten Bereiche des Gesichtsfeldes, die eine Präferenz für schnellere Bewegungen in der Peripherie aufwies. Diese waren in unterschiedlichen Abschnitten spezifisch verteilt und zeigten Grenzbereiche, an denen eine deutliche Änderung der Geschwindigkeitspräferenz beobachtet werden konnte. Diese Änderungen stehen in direktem Zusammenhang mit der Retinotopie und der korrespondierenden Exzentrizität. Die Untersuchung von richtungsselektiven Antworten unter dem Einfluss der Geschwindigkeit erbrachte eine ungleichmäßige Verteilung im peripheren Gesichtsfeld, die spezifisch für die jeweilige Hemisphäre war. Es konnten deutliche Präferenzen für Bewegungsrichtungen dokumentiert werden, die zentrifugal von der Repräsentation der Area centralis wegführen. Neuronenpopulationen, die selektiv auf diese Richtung reagierten, wiesen eine quantitative Überrepräsentation auf, die sich von anderen Bewegungsrichtungen deutlich abhob. Eine Untersuchung der Aktivitätswahrscheinlichkeiten selektiver Neuronenpopulationen auf einer raumzeitlichen Ebene sollte die Konsistenz der jeweiligen spezifischen Antwortmuster über alle Singletrials gegeneinander vergleichen. Die präferierten Bewegungsrichtungen wiesen eine erhöhte Wahrscheinlichkeit des Auftretens ihrer kodierenden Einheiten auf, die sich aber über die zuvor ermittelten Bereiche der Geschwindigkeitspräferenz erstreckte. Somit konnten diese Präferenzen über die gesamte untersuchte kortikale Oberfläche nachgewiesen werden. Diese zeigen eine klare Anisotropie in der Repräsentation von Bewegungen, die zugunsten zentrifugaler Richtungen organisiert sind. Eine Untersuchung des Populationssignals konnte außerdem nachweisen, dass die evozierten Antwortmuster unabhängig von der jeweiligen präsentierten Geschwindigkeit des verwendeten Stimulus oder deren Reihenfolge für diese Bewegungsrichtungen deutlich selektiver waren. Diese geringere Unsicherheit in der Kodierung dieser Stimulusparameter durch selektive Neuronenpopulationen lässt Rückschlüsse auf eine lokale Wahrscheinlichkeitsverteilung zu, die durch die tägliche Erfahrung häufig detektierter Bewegungen im Gesichtsfeld bestimmt ist und der Modulation durch Vorwissen aus hierarchisch höheren visuellen Arealen unterliegt. Eine erweiternde Untersuchung mittels Bewegungsrichtungswechseln diente dazu, die zeitliche Antwortdynamik von richtungs- und geschwindigkeitsselektiven Neuronenpopulationen zu untersuchen. Die zugrundeliegende Hypothese bestand darin, dass die Präsentation einer präferierten Richtung durch die quantitative und funktionelle Anisotropie in einer schnelleren Formation eines stimulusspezifischen Aktivitätsmusters resultiert. Daher sollten die Antwortlatenzen aktiver Neuronenpopulationen, die diese Richtung präferieren, im Vergleich zu nicht-präferierten Bewegungen geringer sein. Das Ergebnis zeigte deutlich, dass die Latenzen neuronaler Antworten zu präferierten Bewegungsrichtungen, unabhängig von deren Reihenfolge der innerhalb des Stimulationsprotokolls, signifikant geringer waren. Dieses Ergebnis bestätigt, dass die Kodierung zentrifugaler Richtungen in den untersuchten kortikalen Repräsentationen des Gesichtsfeldes durch die Wahrscheinlichkeit des Auftretens im Gesichtsfeld bestimmt ist. Weiterführend wurde die Repräsentation von Orientierungen in Area 18 unter dem Gesichtspunkt untersucht, dass Repräsentationen von Liniensegmenten, die parallel zu den Bewegungsachsen der festgestellten Richtungspräferenzen liegen, ebenfalls anisotrop verteilt vorliegen. Die Ergebnisse zeigten eine quantitative Überrepräsentation von Orientierungen, die radial im Gesichtsfeld liegen. Diese wiesen die höchsten Aktivitätswahrscheinlichkeiten und die geringsten Antwortlatenzen in beiden Hemisphären auf. Auch hier spiegeln sich die festgestellten quantitativen und funktionellen Anisotropien in einer natürlichen Statistik der wahrgenommenen Umgebung wider.