Blütenbesuchende Wildbienengemeinschaften (Hymenoptera, Apoidea) in Sand-Ökosystemen
Die Bedeutung der Wildbienen (Hymenoptera, Apoidea) zeigt sich in ihrer Funktion als Bestäuber vieler Wild- und Kulturpflanzen. Die Wildbienen haben jedoch in den letzten Jahren deutliche Rückgänge in ihrer Artenvielfalt zu verzeichnen, welche vor allem auf die Fragmentierung und Isolation ihrer Leb...
Summary: | Die Bedeutung der Wildbienen (Hymenoptera, Apoidea) zeigt sich in ihrer Funktion als Bestäuber vieler Wild- und Kulturpflanzen. Die Wildbienen haben jedoch in den letzten Jahren deutliche Rückgänge in ihrer Artenvielfalt zu verzeichnen, welche vor allem auf die Fragmentierung und Isolation ihrer Lebensräume, Intensivierung der Landwirtschaft und Änderung der Landnutzung zurückzuführen sein dürften. Im Vordergrund dieser Arbeit stand die Untersuchung von Wildbienengemeinschaften in einem Modell-Ökosystem, um grundlegende Kenntnisse über die Interaktionen von Wildbienen und Vegetation unter den Aspekten der Biodiversität, der Fragmentierung von Lebensräumen, der Stabilität und Sukzession von Gemeinschaften (auch im Zeitverlauf) und der Nutzung von Ressourcen zu gewinnen. Als Hauptuntersuchungsgebiete dienten die beiden Naturschutz- und FFH-Gebiete „Ehemaliger August-Euler-Flugplatz“ von Darmstadt und „Griesheimer Düne“ in der nördlichen Oberrheinebene, in welchen sich verschiedene Sukzessionsstadien von Sandtrockenrasen finden. Zusätzliche Untersuchungen wurden in verschiedenen fragmentierten Sandflächen im Griesheimer Sand durchgeführt. Die Bedeutung von fünf verschiedenen Sand-Vegetationstypen für Wildbienengemeinschaften, mit den charakteristischen Vegetationsparametern wurde auf der Basis von 45 Rasterflächen (Größe von je 200 m2 ) ermittelt. Sowohl die arten- als auch die individuenreichsten Wildbienengemeinschaft wurde in den ruderalisierten mittleren Sukzessionsstadien der Sandtrockenrasen festgestellt, für die sich die Diversität und die Deckung der blühenden Pflanzenarten gleichermaßen als wichtigste Habitatfaktoren herausstellten. Die Nested Subset-Analyse zeigt eine deutliche Schachtelung für die räumliche Verteilung der Wildbienenarten über die untersuchten Vegetationstypen, so dass die Bereiche, welche niedrigere Artenzahlen aufweisen (Koelerion glaucae, Armerio-Festucetum) Ausschnitte der Bereiche mit höheren Artenzahlen (ruderalisiertes Armerion, ehemalige Ackerfläche, Allio-Stipetum-Komplex) darstellen. Hinsichtlich der Netzwerkstrukturen zwischen Wildbienen und ihren Blütenressourcen lässt sich ebenfalls eine Schachtelung nachweisen; d.h. die selten auftretenden Pflanzenarten werden von Wildbienen besucht, die weit verbreitet und häufig sind sowie ein breites Spektrum an Nahrungsressourcen nutzen, während die selten auftretenden Wildbienenarten in erster Linie die weit verbreiteten Pflanzenarten besuchen. Die Untersuchungen zur Stabilität von blütenbesuchenden Wildbienengemeinschaften in der Zeitachse fand in den Jahren 2002 bis 2005 auf der Basis von insgesamt fünfzehn entomophilen Pflanzenarten auf 27 Rasterflächen einer Größe von je 200 m2 in drei verschiedenen Sukzessionsstadien (Koelerion glaucae, Armerio-Festucetum, ruderalisiertes Armerion) statt. Diese Pflanzenarten repräsentieren wesentliche Teile der verfügbaren Blütenressourcen. Das gemischt-lineare Modell weist einen deutlich signifikanten Jahreseinfluss sowohl auf die Höhe der Arten- und Individuenzahlen als auch die genutzten Blütenressourcen je nach Schwerpunkt in den Sukzessionsstadien nach, obwohl sich sowohl die Anteile der Rote Liste-Arten als auch der Sandleitarten an den Gesamtartenzahlen als stabil herausstellten. Allerdings nimmt die Ähnlichkeit der Wildbienengemeinschaft vor allem hinsichtlich der Artenzusammensetzung im Vergleich zum Ausgangsjahr mit zunehmendem Zeitverlauf immer weiter ab. Auf der Basis einer Korrespondenzanalyse lässt sich darstellen, dass die Artenzusammensetzung der Wildbienengemeinschaft vor allem durch einige Arten bestimmt wird (darunter auch Sandleitarten wie Andrena carbonaria agg., Dasypoda hirtipes, Halictus leucaheneus), welche nahezu konstant in allen Jahren auftreten, auch wenn die Individuendichten starken Schwankungen unterworfen sein können, während ein hoher Anteil aller Arten nur einmal nachgewiesen wurde. Im Rahmen von pollenanalytischen Untersuchungen wurden insgesamt 558 Proben von 57 Wildbienenarten auf ihre Pollenzusammensetzung überprüft. Es sollten Rückschlüsse auf die tatsächliche Ressourcennutzung der Wildbienen in den Sand-Ökosystemen gezogen und überprüft werden, ob sich über die Pollenanalyse Aktionsradien von Wildbienen beim Pollensammeln ermitteln lassen. Die Ergebnisse zeigen, dass über die Analyse der Pollen eine deutlich höhere Anzahl genutzter Blütenressourcen nachgewiesen wurde, als sich durch die Beobachtung der Blütenbesuche der jeweiligen Wildbienenarten in einem begrenzten Habitattyp ergibt. Zudem lässt sich für wichtige entomophile Pflanzenarten, die mit hohen Blütendichten in den Untersuchungsgebieten auftreten (wie z.B. Berteroa incana, Ononis repens, Potentilla argentea u.a.), feststellen, dass deren Pollen auch tatsächlich von den Wildbienen gesammelt wurde (mit Ausnahme von Centaurea stoebe). Über die Zusammensetzung der Pollenladungen lassen sich zudem bei Kenntnis der umgebenden Vegetation Rückschlüsse auf die Reichweite der Flüge von Wildbienenarten beim Pollensammeln ziehen. Für größere Arten wie Andrena flavipes und Andrena carbonaria agg. wurden Aktionsradien zwischen 1150-1250 m festgestellt; auch Arten mittlerer bzw. kleiner Größe (wie Lasioglossum calceatum und Lasioglossum fulvicorne) legten beim Pollensammeln Entfernungen zwischen 1000-1250 m zurück. Aus diesen Ergebnissen lässt sich schließen, dass die Anwendung der Pollenanalyse für den Nachweis der Ressourcennutzung von Wildbienen im Detail geeignet ist, vor allem in Verbindung mit genauen Informationen über den Blütenbesuch sowie der zur Verfügung stehenden Blütenressourcen. Zudem kann der Aktionsradius von Wildbienen beim Pollensammeln über den Nachweis seltener Pollentypen ermittelt werden ohne Störungen auf die Wildbienen auszuüben. Die Auswirkungen der Flächenisolation auf die Artenvielfalt und Abundanz von Wildbienengemeinschaften in Kombination mit der Bedeutung des zur Verfügung stehenden Blütenangebotes wurden in zwei verschiedenen Untersuchungsgebieten überprüft. Dazu wurden im Gebiet „Rotböhl“ insgesamt vier verschieden stark isolierte Sandflächen und im Griesheimer Sand drei Sandflächen im Naturschutzgebiet „Griesheimer Düne“ sowie zwei fragmentierte Flächen ausgewählt, welche in jeweils drei Wiederholungen bearbeitet wurden. Hinsichtlich der Vegetationsparameter lässt sich in beiden Untersuchungsgebieten der Faktor Isolation noch nicht nachweisen, obwohl sich die Qualität der Vegetationszusammensetzung zwischen den Leitbild- und den isolierten Flächen deutlich unterscheidet. In beiden Untersuchungsgebieten zeigen sich zudem unterschiedliche Ergebnisse zu den Arten- und Individuenzahlen der Wildbienen, welche nur am „Rotböhl“ mit zunehmender Isolation abnehmen, während sich im „Griesheimer Sand“ keine signifikanten Unterschiede herausstellen. Am „Rotböhl“ zeigt sich außerdem auf den Fragmentflächen bedingt durch die Zunahme von großen Arten bzw. die Abnahme kleiner Arten ein Zusammenhang zwischen Isolation und Ausbreitungsfähigkeit der Wildbienen. Die Zusammensetzung der Wildbienengemeinschaften korreliert hingegen in erster Linie mit dem Grad der Isolation (Entfernung zu Leitbildflächen) sowie der lokalen Flächenqualität. Die Ergebnisse bedeuten für den Naturschutz, dass neben den seltenen Arten unbedingt die weiter verbreiteten und häufiger vorkommenden Arten (Pflanzen und Wildbienen) zu schützen bzw. im Pflegemanagement zu berücksichtigen sind. Auch wenn die ruderalisierten mittleren Sukzessionsstadien der Sandrasen aus botanischer Sicht unbedeutend erscheinen, stellen sie, solange keine Dominanzbildung von z.B. Calamagrostis epigejos erfolgt, aufgrund ihrer Diversität an blühenden entomophilen Pflanzenarten und der hohen Blütendeckung wichtige Lebensräume für artenreiche Wildbienengemeinschaften dar. |
---|