Vegetationsökologische Untersuchungen zur Restitution von Sand-Ökosystemen

Speziell in Wachstumsregionen und Ballungsräumen herrscht ein stetiger Verbrauch von Natur, der durch konservierenden Naturschutz allein nicht mehr auszugleichen ist. Die Flächenverluste führen zu Fragmentation und damit auch zum Rückgang der Arten- und Lebensraumvielfalt. Neben klassischen, konserv...

Full description

Bibliographic Details
Main Author: Stroh, Michael
Format: Others
Language:German
German
de
Published: 2007
Online Access:http://tuprints.ulb.tu-darmstadt.de/813/1/Dissertation_Stroh.pdf
http://tuprints.ulb.tu-darmstadt.de/813/2/Tabellenanhang_Stroh.pdf
Stroh, Michael <http://tuprints.ulb.tu-darmstadt.de/view/person/Stroh=3AMichael=3A=3A.html> : Vegetationsökologische Untersuchungen zur Restitution von Sand-Ökosystemen. [Online-Edition] Technische Universität, Darmstadt [Ph.D. Thesis], (2007)
Description
Summary:Speziell in Wachstumsregionen und Ballungsräumen herrscht ein stetiger Verbrauch von Natur, der durch konservierenden Naturschutz allein nicht mehr auszugleichen ist. Die Flächenverluste führen zu Fragmentation und damit auch zum Rückgang der Arten- und Lebensraumvielfalt. Neben klassischen, konservierenden Naturschutzstrategien sollten tragfähige Konzepte zur Restitution und Entwicklung dieser Lebensräume erarbeitet werden. Restitution bedeutet, sowohl gezielt eingesetzte Maßnahmen als auch Systemkräfte in den Wiederherstellungsprozess einzubeziehen. Dabei sollen sowohl die abiotischen als auch die biotischen Funktionen wiederhergestellt werden. In der vorliegenden Untersuchung wird am Beispiel der Sand-Ökosysteme ein Konzept für die Restitution erarbeitet. Die Untersuchungen konnten in zwei verschiedenen naturräumlichen Einheiten (Darmstädter Sandgebiet und Emsland) und auf verschiedenen räumlichen Skalen durchgeführt werden. In einer Pilotstudie im Darmstädter Sandgebiet wurden in einem stratifiziert-randomisierten Versuchsdesign inokulierte, beweidete Flächen bzw. nicht-inokulierte beweidete und unbeweidete Vergleichsflächen untersucht. Dieses Gebiet wies mit 87 mg/kg trockener Boden relativ hohe Gehalte an pflanzenverfügbarem Phosphat-P auf; eine Reduzierung dieser Werte war hier nicht möglich. Der Übertragungserfolg der Inokulation variierte in den Ansätzen bereits im ersten Jahr zwischen 60 % und 85 %. In den Folgejahren wurden die Leitbildgesellschaften, die auch als Spenderflächen fungierten, fast vollständig übertragen. Die Untersuchungen zu Diasporenreservoir („seed bank“) im Boden und dem Diasporenniederschlag („seed rain“) belegten das Vorherrschen größtenteils ruderaler Arten. Die Übertragung von Mäh- oder Rechgut zeigte die geringsten Eingriffe in die Bestände der Spendergebiete. Somit können diese mehrfach zur Gewinnung diasporenhaltigen Materials genutzt werden. Der selektive Fraß von Schafen und Eseln konnte die Ruderalisierung dämpfen, aber nicht unterdrücken. Anhand von Ruderalisierungs-Indices, die den Anteil von Zielarten zu Ruderalarten bzw. deren Deckung in Beziehung setzt, konnte dies gezeigt werden. Die anschließenden Studien wurden stets mit der kombinierten Übertragung von Mäh- und Rechgut durchgeführt. Die Erfahrungen der Pilotstudie wurden in ein zweites Experiment mit den Faktoren Inokulation und Beweidung eingebracht, das durch Inversion des Bodens die abiotischen Bedingungen optimierte. Die im Oberboden des Ackers gemessenen Gehalte an pflanzenverfügbaren Phosphat-P lagen bei 56 mg/kg trockener Boden und waren damit zwei-bis dreifach höher als auf den Leitbildflächen. Der Gehalt an pflanzenverfügbarem Phosphat-P lag nach den Erdbauarbeiten bei 15 mg/kg trockener Boden und damit in der Amplitude typischer nicht ruderalisierter Sandrasen im Gebiet. Der neue Oberboden war extrem diasporenarm. Die Berechnung von Ruderalisierungs-Indices zeigte schon im dritten Jahr der Untersuchung auch auf den nicht inokulierten Flächen relativ geringe Werte (kein ruderales Übergewicht). Diese Werte verdeutlichen, dass die Bodeninversion das Problem der Ruderalisierung mildert. Für eine erfolgreiche Restitution mangelt es hier aber an Leitarten. Das Feldexperiment Rotböhl wurde mit Eseln beweidet. Die Eselweide wirkte öffnend auf die Vegetation, die Streu wurde reduziert. Esel als Vertreter der Equiden fraßen bevorzugt Gräser. Während in den ersten beiden Ansätzen stets die Wiederherstellung geeigneter Leitbildgesellschaften als Restitutionsziel definiert wurde, war im Rahmen des Restitutionsexperimentes im Emsland auch die Wiederherstellung landschaftlicher Funktionen Ziel des Versuches. Auf großen Flächen konnten hier zur Verbesserung der abiotischen Bedingungen Bodeninversionen und andere das Relief gestaltende Maßnahmen ausgeführt werden. Um die Entwicklung der Gesamtfläche zu dokumentieren, wurde ein rasterbezogenes, georeferenziertes Netz von Markierungspunkten in allen Flächen als „floristischer Hintergrund“ zur Anbindung der kleinräumigen Untersuchungsflächen eingerichtet. Die Methode der experimentellen Bodeninversion fand im Restitutionsexperiment Emsland auf großen Flächen Anwendung. Flächen von über 70 ha wurden ausgedeicht. Das Material der Deiche war im Oberboden stark mit Phosphat belastet (94 mg/kg trockener Boden Phosphat-P). Der Kern der Deiche (21 mg/kg) wurde als Deckschicht auf die nach historischen Karten modellierten neu erschaffenen „Neo-Dünen“ gelegt. Sowohl seed bank als auch seed rain waren ruderal dominiert. Die Inokulation wurde mit der Übertragung von Mäh- und Rechgut aus Leitbildflächen durchgeführt. Im Winter waren jährlich große Teile des Restitutionsgebietes überschwemmt. Von April bis Oktober wurden die Flächen mit Rindern extensiv (0,7 GVE/ha) beweidet. Nur so wird ein ausreichender Weidedruck auch in den Sandrasenflächen des Gebietes dynamisierend wirksam. Auf der „Wester Schleife“ konnte aufgrund des geringen Flächenanteils von Sandrasen (ca. 18 %) deren Beweidung nur durch eine Besatzdichte von 0,9 GVE/ha gewährleistet werden. In sehr trockenen Jahren steigt der Weidedruck bei ähnlicher Besatzdichte wesentlich. In den Leitbild-Versuchsflächen hat der seit vier Jahren andauernde Weideausschluss kaum auf Artenzahl oder Deckung gewirkt. Einzelne Arten reagieren mit erhöhter Populationsdynamik in beweideten Flächen (z.B. Ceratodon purpureus). Die Ruderalisierungs-Indices zeigen geringere Tendenzen zur Ruderalisierung in den frühen Sukzessionsstadien; dies gilt sowohl für die Leitbilder, als auch für die Restitutionsflächen. Bei letzteren weisen die inokulierten Flächen geringere Ruderalisierungs-Werte als die nicht inokulierten Flächen auf. Im Rahmen der durchgeführten Untersuchungen ergaben sich insbesondere die folgenden regional übergreifenden Erkenntnisse: Die invertierenden Erdbauarbeiten waren gut geeignet, um den Phosphatgehalt im Oberboden zu verringern und so nährstoffarme Bedingungen zu restituieren. Der geringere Phosphatgehalt bildete sich in den Werten der Ruderalisierungs-Indices ab. Die Diasporenbanken von langjährig genutzten Äckern sind nicht geeignet zur Regenerierung der Leitbildgesellschaften. Die Leitarten sind kaum in der Lage, von den zumeist fragmentierten und flächig begrenzten Beständen aus die Restitutionsfläche zu erreichen. Auf den diasporenlimitierten Entwicklungsflächen bedarf es daher der Inokulation als biotisch aufwertender Maßnahme zur Restitution der Leitbildgesellschaften. Der Übertragungserfolg zeigte sich durchgängig im Vorkommen zahlreicher Leitarten. Die Inokulation wirkte auch unterdrückend auf die Ruderalisierungstendenzen in den Flächen. Die inokulierten Bereiche zeigten in allen Versuchen niedrigere Werte der Ruderalisierungs-Indices. Die Ruderalisierung und das Aufkommen monodominanter Gräser wird auch durch die Beweidung zurückgedrängt. Die Rinder bevorzugen frischere Standorte, die Schafe reduzieren mit Vorliebe nährstoffreichere und höherwüchsige Teile der Vegetation, die Esel fressen besonders an Gräsern, verringern gleichzeitig die Streuauflage und vergrößern den Offenbodenanteil auf den beweideten Flächen. Die Beweidung unterstützte in jedem der inokulierten Restitutionsexperimente die Entwicklung zur Leitbildgesellschaft.