Röntgen-Thomson-Streuung an warmem dichten Kohlenstoff
Bei warmer dichter Materie (WDM) handelt es sich um den Übergangsbereich von Festkörpern hin zu dichten Plasmen. Die Vorkommen von WDM sind in Planetenkernen, deren Mantelregionen oder in den Oberflächenregionen von Weißen und Brauen Zwergen. Dabei ist die Beschreibung mit den typischen Ansätzen der...
Main Author: | |
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Format: | Others |
Language: | de |
Published: |
2016
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Online Access: | https://tuprints.ulb.tu-darmstadt.de/5810/19/diss_cor.pdf Helfrich, Jan <http://tuprints.ulb.tu-darmstadt.de/view/person/Helfrich=3AJan=3A=3A.html> (2016): Röntgen-Thomson-Streuung an warmem dichten Kohlenstoff.Darmstadt, Technische Universität, [Ph.D. Thesis] |
Summary: | Bei warmer dichter Materie (WDM) handelt es sich um den Übergangsbereich von Festkörpern hin zu dichten Plasmen. Die Vorkommen von WDM sind in Planetenkernen, deren Mantelregionen oder in den Oberflächenregionen von Weißen und Brauen Zwergen. Dabei ist die Beschreibung mit den typischen Ansätzen der Festkörperphysik und der Plasmaphysik nur sehr bedingt möglich. Durch die hohen Drücke und Temperaturen an diesen Orten ist eine Untersuchung im Labor schwierig, da diese Bedingungen aufgrund der verfügbaren Präparationstechniken nur für kleine Proben und kurze
Zeiträume erreichbar sind. Auf der Erde wird in Experimenten zur Trägheitsfusion der Bereich der WDM während des Aufheizens und vor dem Starten der Fusion durchlaufen. Bei diesen Experimenten ist das zu zündende Deuterium-Tritium-Gemisch von hochdichtem Kohlenstoff oder Kunststoffen ummantelt. Dabei werden die festen Proben von einem ersten Schock geheizt und verflüssigt, bevor die eigentliche Kompression startet. Gerade für das Verstehen des Verhaltens
von Kohlenstoff nach diesem ersten Schock und der damit eintretenden Phasenänderung sind Messungen an Kohlenstoff von elementarer Bedeutung, um die Trägheitsfusion zum Erfolg zu führen. Diese Arbeit befasst sich mit der Messung von Kohlenstoff im Bereich der WDM, um den Phasenübergang zu charakterisieren. Diese Messungen können im nächsten Schritt mit theoretischen Beschreibungen verglichen werden, womit diese weiterentwickelt werden können.
Behandelt werden zwei Experimente, in denen Kohlenstoff im Bereich der WDM untersucht wurde bei Dichten von 3,30 g/cm³ bis 4,30 g/cm³, Drücken zwischen 100 GPa und 200 GPa und Temperaturen von 5000 K bis 11000 K. Der Zustand der WDM wurde dabei mittels lasergetriebener Schockwellen erreicht. Die Untersuchung erfolgte durch Messen des Strukturfaktors, der mittels Röntgen-Thomson-Streuung (X-ray Thomson Scattering, XRTS) bestimmt wurde.
Im ersten Experiment, das am Rutherford Appleton Laboratory im Vereinigten Königreich durchgeführt wurde, sind Graphitproben nahe der natürlichen Dichte (2,25 g/cm³) und mit reduzierter Dichte (1,30 g/cm³ und 1,84 g/cm³) eingesetzt worden, um im komprimierten Zustand verschiedene Temperaturen zu erreichen ((5700 +-600) K bis (14500 +-1700) K nach HELIOS Hydro-Simulationen). Während des Kompressionsvorgangs wurden die Proben zunächst auf ihre natürliche Dichte komprimiert, wodurch sich die interne Energie erhöhte, bevor die eigentliche Kompression stattfand. Der erreichte Endzustand wurde mittels XRTS in Rückstreugeometrie vermessen. Dabei ließ sich direkt der Strukturfaktor bestimmen, der als Maß der Ionenordnung und der Teilchenbewegung gesehen werden kann. Über ihn lässt sich die Phase einer Probe und die Temperatur einer Flüssigkeit bestimmen. Zur Erzeugung der für diese Messmethode erforderlichen Röntgenstrahlung wurde ein Strahl des Vulcan Lasersystems auf eine Vanadiumfolie fokussiert, wodurch diese K-Alpha Strahlung bei 4952 eV emittierte. Mit dem beobachteten Streuwinkel von 126° und der Photonenenergie ergab sich ein Streuvektor k von 4,47E10 1/m. Dieser wurde so gewählt, dass er in einem Bereich liegt, in dem sich der Strukturfaktor während der Phasenänderung sehr stark ändert und nicht von Bragg-Peaks des ungeschockten Graphits überlagert wird. Bei diesem Experiment konnte gezeigt werden, dass es mit Laserintensitäten von 10 TW/cm² möglich war, Proben mit reduzierter Dichte zu verflüssigen. Proben mit natürlicher Dichte sind hingegen fest geblieben. Die unterschiedlichen Temperaturen im komprimierten Material resultierten aus einer erhöhten Entropie während der Kompression, für Proben mit reduzierter Dichte. Der Druck und die Dichte waren im Endzustand für feste und flüssige Proben vergleichbar.
Aufbauend auf diesen Erkenntnissen wurde ein zweites Experiment an der Linac Coherent Light Source am Stanford Linear Accelerator Center in Kalifornien, USA durchgeführt. Die Vorteile des Einsatzes eines Röntgen-Freie-Elektronen-Lasers gegenüber einer lasergetriebenen Röntgenquelle sind ultrakurze Pulse, eine variable Photonenenergie und eine äußerst schmale Energiebandbreite von 0,3% bei etwa 3E12 Photonen pro Puls. Rückstreuspektren konnten damit in einer bisher unerreichten Qualität aufgenommen werden, die aufgrund der 50 fs Pulse einer Momentaufnahme entsprechen. Die Kompression erfolgte erneut mit lasergetriebenen Schockwellen, mit Intensitäten von 7 TW/cm² und 14 TW/cm². Um im Endzustand verschiedene Temperaturen zu erreichen, wurden Graphitproben mit Dichten von 1,53 g/cm³, 1,84 g/cm³ und 2,21 g/cm³ komprimiert. Durch die Verwendung von Photonenenergien von 4500 eV und 6000 eV und verschiedenen Streuwinkeln konnten im Experiment die Streuvektoren k1 = 4,12E10 1/m, k2 = 4,39E10 1/m, k3 = 4,43E10 1/m, k4 = 5, 36E10 1/m, k5 = 5,58E10 1/m und k6 = 5,76E10 1/m untersucht werden. Dies ist aufgrund der Energiebandbreite und Winkelverteilung möglich, die viel schmaler als die von lasergetriebenen Röntgenquellen ist. Die Strukturfaktormessungen für Streuvektoren von 5E10 1/m bis 6E10 1/m lagen teils um einen Faktor 2 über dem erwarteten Wert. Dies ist auf Reststrukturen von komprimiertem Graphit oder der Formation von kubischen oder hexagonalen Diamant zurückzuführen, die das elastische Streusignal von flüssigem Kohlenstoff überlagerten. Das Vorhandensein einer Diamantstruktur erlaubte es, mittels Röntgenbeugung direkt die Dichte im geschockten Zustand zu bestimmen. Die zusätzliche Messung der Schockgeschwindigkeit ermöglichte eine genaue Positionsbestimmung im Dichte-Druck-Phasendiagramm im Bereich von (3,73+-0,11) g/cm³ bis (4,54+-0,13) g/cm³ und Drücken von (87+-5) GPa und (195+-6) GPa. Durch den weiteren Vergleich der gemessenen Strukturfaktoren mit DFT-MD Simulationen ist eine Temperaturzuordnung für den flüssigen Kohlenstoff und damit eine Positionsbestimmung im Temperatur-Druck-Phasendiagramm möglich. Abschließend sind diese Ergebnisse mit simulierten Phasendiagrammen verglichen worden. Unabhängig von der Ausgangsdichte variierte der gemessene Strukturfaktor zwischen 0,46+-0,02 und 0,92+-0,05 für k1 = 4,12E10 1/m. Dies entspricht Temperaturen von (5300 +100 -100) K bis (11100 +5700 -1400) K. Die Strukturfaktormessungen aller Streuvektoren zeigen für geschockte Proben mit reduzierter Dichte und Laserintensitäten von 14 TW/cm², trotz möglicher Signalüberlagerungen noch eine Übereinstimmung des allgemeinen Verlaufs der DFT-MD Simulationen, da diese die größte Entropie erfahren haben, damit am Wärmsten sind und am wenigsten Reststrukturen enthalten. |
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