Beeinflussung von Zellphysiologie und mitochondrialer Funktion durch Alzheimer Demenz-assoziiertes Amyloides-β Peptid
Bei Alzheimer Demenz (AD), der häufigsten Form der Demenzerkrankungen, gehen im Krankheitsverlauf durch langsam fortschreitende Neurodegeneration kognitive Funktionen unwiederbringlich verloren. Die Entwicklung von Präventionsmöglichkeiten sowie Therapien sind dringend erforderlich, weil die stetig...
Summary: | Bei Alzheimer Demenz (AD), der häufigsten Form der Demenzerkrankungen, gehen im Krankheitsverlauf durch langsam fortschreitende Neurodegeneration kognitive Funktionen unwiederbringlich verloren. Die Entwicklung von Präventionsmöglichkeiten sowie Therapien sind dringend erforderlich, weil die stetig wachsende Anzahl an Alzheimerpatienten mit erheblichen finanziellen und sozialen Belastungen für die Gesellschaft einhergehen.
Die posttranslational aus dem amyloiden Vorläuferprotein APP, ein Typ I Transmembranprotein, generierten Aβ Peptide nehmen eine wichtige Funktion bei der AD Pathogenese ein. Jüngste Erkenntnisse benennen intraneuronal vorkommende Aβ Mono- und Oligomere als pathogene Formen des Peptids (Oligomer-Hypothese). Die Isoform Aβ1-42 scheint dabei am toxischsten zu sein. Von der Aβ Neurotoxizität sind vornehmlich Synapsen betroffen. Da die in den Synapsen konzentrierten Mitochondrien bereits in der sehr frühen Phase der AD Pathogenese Dysfunktionen aufweisen, fokussierte sich die vorliegende Studie auf Mitochondrien, um deren signifikante Funktion in der Anfangsphase der AD Pathogenese zu charakterisieren.
Für die im Rahmen der vorliegenden Arbeit durchgeführten Untersuchungen wurden die humane Neuroblastomzellline SH-SY5Y und die Ratten-Oligodendrozytenzelllinie OLN-93 mit 2,0 µM disaggregiertem Aβ1-42 Peptid für 24 h behandelt. Das extern applizierte Peptid wurde intrazellulär lokalisiert. Es wurden die Auswirkungen des Aβ1-42 Peptids auf die Zellviabilität, den oxidativen Stress, den Energiestoffwechsel, die mitochondrialen Mem¬branen sowie das Proteom analysiert.
Aβ1-42 Peptide wurden mit Trifluoressigsäure disaggregiert, woraus Mono- bis Heptamere resultierten. Fluoreszenzmarkierte Aβ1-42 Peptide wurden nach 5 h Inkubation in späten Endo¬somen mittels Konfokalmikroskopie lokalisiert und nach 16 h in Mitochondrien. OLN-93 Zellen schienen eine größere Menge an Aβ1-42 Peptiden in die Mitochondrien aufzunehmen als SH-SY5Y Zellen. Aufgrund der Lokalisation in späten Endosomen nach kurzer Inkubationszeit wird postuliert, dass die Aufnahme der extern applizierten Peptide über Endozytose erfolgt.
Auf die Zellviabilität von OLN-93 und SH-SY5Y Zellen, die mittels dem alamarBlue® Test und dem Neutralrot-Aufnahmetest im 96-well Format untersucht wurde, hatten Aβ1-42 Peptide keinen signifikanten Einfluss. Kennzeichen von frühapoptotischen Zellen ist die Verlagerung von Phosphatidylserin auf die extrazelluläre Seite der Plasmamembran, wo es von Annexin V gebunden werden kann. Propidiumiodid interkaliert in die DNA nach Verlust der Plasmamembranintegrität, charakteristisch für spätapoptotische bzw. nekrotische Zellen. Durchflusszytometrische Analysen nach FITC Annexin V- und Propidiumiodidzugabe zeigten in beiden Zelllinien keine Veränderung der Anzahl apoptotischer/nekrotischer Zellen durch Aβ1 42 Peptide.
Das zellpermeable 2',7'-Dichlorodihydrofluorescein Diacetat wird intrazellulär durch Esterasen gespalten und in Gegenwart von Wasserstoffperoxid durch Peroxidasen zum fluoreszierenden Dichlorfluorescein (DCF) oxidiert, wodurch es als Indikator für Reaktive Sauerstoffspezies (ROS) gilt. In Aβ1-42 behandelten Proben wurde über die Messung der DCF-Fluoreszenz im 96-well Format eine große Zunahme (> 120%) der zellulären ROS Menge im Vergleich zu unbehandelten Proben gefunden. Aβ1-42 führt somit zu einer vermehrten Generierung von ROS und/oder zu einer Störung der Antioxidationssysteme. ROS induzieren u.a. Proteinoxidationen, die in Aktivitätsminderungen der betroffenen Proteine resultieren können. Mitochondriale Proteinoxidationen wurden über die Quantifizierung von OxyBlots(TM), die Proteincarbonylierungen detektieren, ermittelt. Aβ1-42 Behandlung resultierte in einem geringen Anstieg der mitochondrialen Proteincarbonylierung, der in Bezug zu bisherigen Untersuchungen der zellulären Proteincarbonylierung gebracht wurde.
Der Einfluss von Aβ1-42 Peptiden auf den Energiestoffwechsels wurde durch die Analyse der spezifischen Aktivitäten von Atmungskettenkomplexen sowie der zellulären ATP Konzentration ermittelt. Die spezifischen Aktivitäten von NADH-Ubichinon-Oxidoreduktase (CI), Succinat Dehydrogenase (CII) und Cytochrom-c-Oxidase (CIV) wurden spektrophoto¬me-trisch an isolierten Mitochondrien (CI) bzw. Zelllysaten (CII und CIV) bestimmt. Die spezifische CI Aktivität verringerte sich in beiden Zelllinien durch Aβ1-42, wohingegen die spezifische CIV Aktivität zunahm. Aβ1-42 Peptide hatten keinen Einfluss auf die spezifische CII Aktivität in OLN-93 Zellen. In SH-SY5Y Zellen wurde eine Aβ1 42-vermittelte Abnahme der CII Aktivität beobachtet. Durch die Aktivitätsminderung an CI und CII könnten weitere ROS generiert werden. Die Aktivitätszunahme von CIV lässt sich durch eine gesteigerte Proteinmenge und/oder durch eine vermehrte Assemblierung zu Superkomplexen erklären. Die luminometrische Bestimmung der zellulären ATP Konzentration über die ATP-vermittelte oxidative Decarboxylierung von D-Luciferin durch Luciferase resultierte in einer Aβ1-42-ver-mittelten Verringerung der zellulären ATP Konzentration. Aβ1-42 Peptide führen demnach zu einer geringeren ATP Synthese und/oder zu einem größeren ATP Verbrauch.
Die mitochondrialen Membranen wurden durch Aβ1-42 beeinflusst. Aβ1-42 Peptide führten zu einer Depolarisation des mitochondrialen Membranpotenzials (MMP), das über reduzierte MitoTracker® am Durchflusszytometer ermittelt wurde. Dieser Befund konnte durch die gemessene Aktivitätsminderung von CI erklärt werden. Aβ1-42-induzierte Kanäle in der Mitochondrienmembran könnten ebenfalls ursächlich für die Depolarisation des MMP sein. Anhand der steady-state Fluoreszenzanisotropie der Fluoreszenzsonde 1,6-Diphenyl-1,3,5-hexatrien wurde eine Erhöhung der „Fluidität“ der Mitochondrienmembran bestimmt. Die Ergebnisse der Anisotropiemessungen stellen den Nachweis für die Interkalation des Aβ1-42 Peptids in die Mitochondrienmembran dar.
Für Proteomanalysen wurden solubilisierte Proteine aus isolierten Mitochondrien in einer zweidimensionalen-blau-nativen/Natriumdodecylsulfat-Polyacrylamidgelelektrophorese (2D-BN/SDS-PAGE) aufgetrennt und die Proteinuntereinheiten im Gel durch Peptidmassenfingerabdruck (PMF) mittels Matrix-Assisted Laser-Desorption Ionisation-Massenspektrometrie (MALDI-MS) identifiziert. Die Proteinmenge der Untereinheiten wurde anhand SYPRO® Ruby gefärbter 2D-Gele quantifiziert. Es wurden insgesamt 41 Proteine für OLN-93 identifiziert und 32 für SH-SY5Y. Der große Vorteil der eingesetzten 2D-BN/SDS-PAGE für die quantitative Proteomanalyse gegenüber der herkömmlichen Methode, die eine denaturierende isoelektrische Fokussierung in der 1. Dimension anwendet, ist die Möglichkeit der Auftrennung hydrophober Membranproteine sowie der Erhalt von Informationen über Protein-Protein-Interaktionen. 14% der quantifizierten Untereinheiten in OLN-93 Proben wurden durch Aβ1-42 signifikant beeinflusst. In OLN-93 Proben verringerten sich durch Aβ1-42 die Proteinmengen der α- und β-Untereinheiten der F1FO ATP Synthase (CV) in ihrem monomeren und dimeren Assemblierungszustand. Es wird daher davon ausgegangen, dass Aβ1-42 in einer Absenkung der ATP Synthese resultiert, die die gefundene Verringerung der ATP Konzentration in Aβ1-42-behandelten OLN-93 Zellen erklärt. Darüber hinaus wurden für die Pyruvatkinase und ein nicht identifiziertes Protein geringere Proteinmengen gefunden. In SH-SY5Y Proben zeigten 30% der quantifizierten Untereinheiten Aβ1-42-induzierte Veränderungen. Die Proteinmengen der α- und β-Untereinheiten von CV Dimer, der γ-Untereinheit von CV Monomer sowie der CII Untereinheit SDHA nahmen zu. Es wird postuliert, dass es sich dabei um Kompensationsmechanismen handelt, um Aktivitätsverluste, wie sie z.B. für CII im Rahmen der vorliegenden Arbeit gemessen wurden, auszugleichen. Die Proteinmengen von vier nicht identifizierten Proteinen erhöhten sich ebenfalls durch Aβ1-42. Die Hsp60 Menge nahm jedoch ab, wie auch die Proteinmengen von drei weiteren Proteinen, die im Rahmen der vorliegenden Arbeit nicht identifiziert werden konnten.
Im Rahmen der vorliegenden Arbeit wurden signifikante, Aβ1-42-induzierte Veränderungen der Zellphysiologie und der mitochondrialen Funktion gefunden. Diese Erkenntnisse können zur Entwicklung von Präventionsmöglichkeiten sowie Therapien beitragen, weil sie Informationen über die Anfangsphase der AD Pathogenese liefern. |
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