Magnetenzephalographie-Studien zu antizipatorischen Aktivitäten im auditorischen Kurzzeitgedächtnis
Die aktuelle neurowissenschaftliche Forschung legt nahe, dass die kortikale Verarbeitung akustischer Sinneseindrücke über getrennte Verarbeitungspfade verläuft, die als ventraler „Was“- und dorsaler „Wo“-Pfad bezeichnet werden. Spektral-auditorische Muster-Informationen werden dabei in ventralen bzw...
Main Author: | |
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Format: | Others |
Language: | German de |
Published: |
2014
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Online Access: | https://tuprints.ulb.tu-darmstadt.de/3875/1/DissertationMariaRieder.pdf Rieder, Maria Katharina <http://tuprints.ulb.tu-darmstadt.de/view/person/Rieder=3AMaria_Katharina=3A=3A.html> (2014): Magnetenzephalographie-Studien zu antizipatorischen Aktivitäten im auditorischen Kurzzeitgedächtnis.Darmstadt, Technische Universität, [Ph.D. Thesis] |
Summary: | Die aktuelle neurowissenschaftliche Forschung legt nahe, dass die kortikale Verarbeitung akustischer Sinneseindrücke über getrennte Verarbeitungspfade verläuft, die als ventraler „Was“- und dorsaler „Wo“-Pfad bezeichnet werden. Spektral-auditorische Muster-Informationen werden dabei in ventralen bzw. inferior-frontalen und anterior-temporalen Hirnregionen verarbeitet, wohingegen die auditorisch-räumliche Informationsverarbeitung in dorsalen bzw. posterior-parietalen und superior-frontalen Kortexregionen stattfinden soll. Bei der Aufrechterhaltung akustischer Informationen im auditorischen Kurzzeitgedächtnis scheinen zusätzlich zu den genannten Regionen frontal-exekutive Netzwerke eine wichtige Rolle zu spielen.
Kognitive Prozesse der Wahrnehmung und Gedächtnisbildung wurden in der Vergangenheit häufig mit hochfrequenten Oszillationen im Bereich des Gammabandes (> 30 Hz) in Verbindung gebracht. Des Weiteren konnte gezeigt werden, dass kortikale Oszillationen durch Aufmerksamkeitsprozesse moduliert und beeinflusst werden. Ebenso könnte die Gammabandaktivität (GBA) bei Vorbereitungsprozessen, bzw. während Zuständen der Erwartungshaltung, eine funktionelle Rolle auf der kortikalen Ebene spielen.
Dieses Phänomen wird zurzeit durch zahlreiche kognitive Studien untersucht und konnte auch bereits in früheren auditorischen Kurzzeitgedächtnisstudien der Arbeitsgruppe beobachtet werden. Hierbei hatten die Probanden die Aufgabe, zwei aufeinanderfolgende akustische Stimuli (Merkreiz und Testreiz) miteinander zu vergleichen, die durch zeitlich variable Behaltensphasen voneinander getrennt waren. Unabhängig von der Länge der Behaltensphase zeigte sich eine erhöhte oszillatorische GBA, die etwa ~450 ms vor der Darbietung des Testreizes ihr Maximum erreichte. Dieser Befund ließ vermuten, dass der dem Testreiz vorgelagerte Anstieg der GBA als aufgabenrelevante Voraktivierung dienen könnte, die in Antizipation des Testreizes auftritt.
Möglicherweise könnten antizipatorische Aktivitäten auch bereits im Vorfeld des Merkreizes zu verzeichnen sein, wenn die Probanden vorab darüber in Kenntnis gesetzt werden, welche Aufgabe sie bearbeiten sollen. Zur Überprüfung dieser Hypothese wurde in der vorliegenden Dissertation zum auditorischen Kurzzeitgedächtnis mit Hilfe von aufgabenbezogenen Hinweisreizen eine Erwartungshaltung im Vorfeld der jeweiligen Aufgabe induziert. Auf diese Weise sollte der Frage nachgegangen werden, ob es antizipatorische oszillatorische Signale gibt, die während der Vorbereitung auf eine auditorische Aufgabe spezifisch für die Art der zu leistenden Verarbeitung auftreten. Hierfür wurde bei gesunden Probanden die Gehirnaktivität mittels Magnetenzephalographie (MEG) aufgezeichnet.
Um zu untersuchen, ob auch antizipatorische Aktivitäten gemäß der auditorischen „Was“- und „Wo“-Pfade zu verzeichnen sind, wurden zwei Studien konzipiert, die beide mittels einer delayed-matching-to-sample Aufgabe den Abgleich von zwei aufeinanderfolgenden akustischen Stimuli (Merkreiz (S1) und Testreiz (S2)) erforderten. In der Lateralisationsaufgabe (LAT) hatten die Probanden die Aufgabe, S1 und S2 hinsichtlich ihres interauralen Zeitversatzes (räumlich-auditorisch) zu vergleichen. Die Frequenzaufgabe (FREQ) erforderte hingegen zwischen S1 und S2 den Abgleich der zentralen Frequenz (spektral-auditorisch). Hier wurden die Aufgaben in unterschiedlichen Messblöcken dargeboten, und die Probanden wurden zu Beginn jedes Messblocks über die Aufgabe informiert. In der zweiten Studie wurden die Aufgaben dagegen in pseudorandomisierter Abfolge von Durchgang zu Durchgang wechselnd dargeboten. Hier wurde ein visueller Hinweisreiz zur Festlegung der Aufgabe vor jedem einzelnen Durchgang präsentiert. Basierend auf den zuvor geschilderten Befunden wurde eine antizipatorische GBA vor dem Merk- und Testreiz erwartet, die gemäß den kortikalen Verarbeitungspfaden topographische Unterschiede für spektral- und räumlich-auditorische Informationen aufweist.
In der ersten Studie konnte mittels des angewandten Blockdesigns kein signifikanter Unterschied zwischen den beiden aktiven Aufgaben (LAT und FREQ) ermittelt werden. Der Vergleich beider Aufgaben mit der passiven Kontrollbedingung (PASS) zeigte jedoch eine erhöhte Beta-Synchronisation über sensomotorischen Arealen. Dieser Befund wurde als Beta-Rebound interpretiert, der auf die motorische Aktivität im vorangehenden Durchgang folgte. Dieser Effekt konnte auf Sensor- und Quellenebene nachgewiesen werden. Im Vergleich zu PASS konnte für LAT eine signifikant erhöhte Alpha-Aktivität (8-14 Hz) sowie eine verringerte Gamma-Aktivität in Sensoren über posterioren Regionen beobachtet werden. Dies könnte als Deaktivierung von nicht aufgabenrelevanten (visuellen) kortikalen Arealen interpretiert werden. Auf der Quellenebene konnten diese Beobachtungen jedoch nicht repliziert werden. Hierbei zeigten sich eine verminderte Gamma-Aktivität im rechten Cerebellum sowie eine erhöhte Gamma-Aktivität im rechten Frontalkortex. Die Aktivitätsverminderung im Cerebellum stellt vermutlich eine gezielte Unterdrückung nicht benötigter Netzwerke dar, die mit der LAT interferieren könnten. Die Aktivitätssteigerung im Frontalkortex könnte hingegen mit exekutiven Funktionen in Verbindung gebracht werden. Eine aufgabenabhängige Vorbereitungsaktivität in Bereichen der auditorischen „Was“- und „Wo“-Pfade wurde demnach nicht gefunden. Höchstwahrscheinlich war dies der blockweisen Aufgabendarbietung geschuldet, die vermutlich zu einer Abschwächung der aufgabenspezifischen antizipatorischen Aktivitäten führte.
Um dieser Vermutung nachzugehen, wurde in der zweiten Studie ein pseudorandomisiertes Design verwendet. Der Vergleich von LAT und FREQ auf der Sensorebene zeigte diesmal in der Vorbereitungsphase einen signifikanten Unterschied, der in einer erhöhte GBA für LAT über rechts präfrontalen Regionen bestand. Dieser Effekt könnte mit einem räumlichen Aufmerksamkeitsprozess in Verbindung stehen, der bereits im Vorfeld einer auditorisch-räumlichen Aufgabenbearbeitung zu beobachten ist. In der Behaltensphase wurde ebenfalls eine erhöhte GBA für LAT über präfrontalen Bereichen beobachtet, die diesmal allerdings von einer erhöhten GBA über posterior-parietalen Regionen begleitet war. Vermutlich wurde zusätzlich zum präfrontalen Aufmerksamkeitsnetzwerk der dorsale „Wo“-Pfad in posterior-parietalen Regionen aktiviert, der zur Aufrechterhaltung der räumlich-auditorischen Gedächtnisrepräsentation gedient haben könnte. Diese Befunde ließen sich auch auf der Quellenebene in den entsprechenden Regionen beobachten. Allerdings zeigte sich weder auf der Sensor- noch auf der Quellenebene eine signifikant erhöhte GBA bei FREQ. Weshalb für FREQ kein signifikanter Unterschied gefunden werden konnte, lässt sich nicht eindeutig sagen. Eventuell könnte FREQ im Vergleich zu LAT eine niedrigere Salienz bzw. eine zu geringe Aufgabenanforderung dargestellt haben, die eine geringere neuronale Aktivierung nach sich zog.
Als Fazit lässt sich festhalten, dass mittels der pseudorandomisierten Studie das Vorliegen antizipatorischer Aktivitäten während auditorischen Kurzzeitgedächtnisaufgaben nachgewiesen werden konnte. Die Zuordnung gemäß der auditorischen „Was“- und „Wo“-Pfade konnte jedoch nur partiell für den „Wo“-Pfad erbracht werden. Das pseudorandomisierte Design scheint einen vielversprechenden Ansatz zur Untersuchung antizipatorischer Aktivitäten darzustellen.
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