HIV-1 neutralisierende Antikörper als Werkzeuge für prophylaktische und therapeutische Impfansätze
Im Jahr 2019 lebten laut UNAIDS schätzungsweise rund 37 Millionen Menschen weltweit mit einer HIV-1 Infektion. Zudem infizieren sich jährlich etwa 1,8 Millionen Menschen mit dem humanpathogenen Erreger neu. Das Hauptangriffsziel von HIV-1 sind CD4+ T-Lymphozyten, die eine bedeutende Komponente der h...
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Im Jahr 2019 lebten laut UNAIDS schätzungsweise rund 37 Millionen Menschen weltweit mit einer HIV-1 Infektion. Zudem infizieren sich jährlich etwa 1,8 Millionen Menschen mit dem humanpathogenen Erreger neu. Das Hauptangriffsziel von HIV-1 sind CD4+ T-Lymphozyten, die eine bedeutende Komponente der humanen adaptiven Immunantwort darstellen. In Folge einer HIV-1 Transmission nimmt die Anzahl an CD4-positiven T-Zellen, bedingt durch produktive Infektionen und eine anhaltende Hyperaktivierung des Immunsystems, kontinuierlich ab. Der massive Verlust an Immunzellen führt schließlich zu einem schweren Immundefekt, auch bekannt als AIDS, welcher in nahezu allen Fällen ohne antiretrovirale Therapie (ART) mit dem Tod des Betroffenen einhergeht. In der Regel werden HIV-positive Patienten heutzutage mit antiretroviralen Medikamenten therapiert, wodurch die HIV-Infektion unter Kontrolle bleibt. Trotz großer Erfolge in der Weiterentwicklung der ART gegen HIV-1, existiert bisher keine Heilung des Virus. Darüber hinaus ist eine lebenslange HIV-Therapie mit antiretroviralen Medikamenten häufig auch mit Nebenwirkungen und der Gefahr auftretender viraler Resistenzen gegenüber den ART-Medikamenten verbunden. Deshalb ist die Entwicklung einer protektiven Impfung, die Menschen vor einer Infektion mit HIV-1 schützen kann, das Hauptziel in der HIV-Forschung. Allerdings konnte dieses Bestreben bis heute nicht erreicht werden. Eine Ursache hierfür liegt unter anderem in der enormen genetischen Diversität und Flexibilität des HI-Virus.
Neben der Impfstoffentwicklung liegt der Fokus auch auf der Erforschung alternativer HIV-Therapien, die weniger toxisch und daher besser verträglich sind. Interessante Kandidaten, die sowohl protektiv als auch therapeutisch besonders geeignet erscheinen, sind Antikörper mit breit neutralisierenden Eigenschaften (bnAbs), die einen Schutz gegen eine Vielzahl genetisch unterschiedlicher HIV-1 Subtypen liefern können. BnAbs sind in der Lage durch Bindung konservierter Bereiche des viralen Hüllproteins (Env), welche für den Viruseintritt in die Zelle von essentieller Bedeutung sind, deren Infektion zu verhindern. Darüber hinaus sind für nahezu alle bnAbs einige besondere Eigenschaften bekannt, wie eine hohe Anzahl somatischer Hypermutationen, außergewöhnlich lange heavy chain complementary determining regions 3 (HCDR3) und oftmals eine signifikante Poly- oder Autoreaktivität. Aufgrund des andauernden Selektionskreislaufes mit dem mutierenden Virus, werden solche Antikörper erst mehrere Jahre nach der initialen HIV-Infektion infolge von Affinitätsreifungsprozessen im Organismus evolviert. Trotz des detaillierten Wissensstands über bnAbs und deren Epitope innerhalb des HIV-Env, ist es bisher nicht gelungen, solche speziellen Antikörper mit Hilfe geeigneter Immunogene zu induzieren. Dennoch konnte für einige der potentesten bisher identifizierten bnAbs wie den 3BNC117, den 10-1074 oder den VRC01 in verschiedenen Studien mit nicht-humanen Primaten und auch Menschen das beträchtliche therapeutische Potential solcher Antikörper bereits nachgewiesen werden. Die Applikation einzelner Dosen führte sowohl in den SHIV-infizierten Affen als auch in den HIV-positiven Patienten zu einer rapiden Antikörpertiter-abhängigen Reduktion der Virusreplikation. Allerdings offenbarten die Studienergebnisse auch, dass für eine dauerhafte Kontrolle der Virusinfektion mehrere neutralisierende Antikörper notwendig sind, aufgrund der rapiden Entwicklung viraler Resistenzmutationen gegen einzelne bnAbs. Besonders wirkungsvoll erwiesen sich hierbei Antikörperkombinationen, die verschiedene Domänen des HIV-Hüllproteins erkennen.
Aus diesem Grund wurden in der vorliegenden Doktorarbeit neue HIV-1 neutralisierende Antikörper mittels zellbasierter Phagen-Display-Technologie selektioniert und deren Bindungs- und Neutralisationseigenschaften charakterisiert. Da das Antigen (HIV-Env) auf der viralen Oberfläche in nur etwa 10 bis 14 „Spikes“ vorliegt, erfolgte die Selektion HIV-spezifischer Antikörper unter Verwendung nativer membranassoziierter Hüllproteine, welche auf der Oberfläche transfizierter HeLa-Zellen präsentiert wurden. Diese Art der Antigenpräsentation, im Zusammenhang mit der Identifikation HIV-spezifischer bnAbs, ist bisher noch nicht publiziert worden und bietet daher möglicherweise eine neue Strategie zur Anreicherung neuartiger potenter bnAbs gegen HIV-1. Insgesamt wurden hierfür zwei Zelllinien mittels stabiler Transfektion generiert, die jeweils eine Variante des HIV-Env-Subtyps B bzw. -Subtyps C in der Plasmamembran exprimieren. Mit Hilfe der Durchfluss-zytometrie und Zell-Zell-Fusionsassays konnte sowohl die native Konformation als auch die Funktionalität der membranständigen Env-Moleküle nachgewiesen werden. Darüber hinaus wurde für beide HIV-Subtypen eine Anzahl von über 104 Env-Spikes pro HeLa-Zelle quantitativ ermittelt. Zudem wurden, ausgehend von einer Kohorte aus sieben rekrutierten long-term non-progressors (LTNPs), von vier LTNPs mit einer heterologen Plasma-Neutralisationsaktivität single-chain variable fragment (scFv)-Phagenbibliotheken aus dem Antikörpergenrepertoire generiert. LTNPs sind Patienten, die eine chronische HIV-1 Infektion durch verschiedene genetische und immunologische Wirtsfaktoren lang anhaltend ohne ART kontrollieren können. Experimentelle Studien haben bereits belegt, dass bnAbs in einer Gruppe von HIV-controllers mit niedriger Viruslast an der Kontrolle der HIV-1 Infektion maßgeblich beteiligt sind. Anhand der subtraktiven Selektion der Patienten-abgeleiteten Immunbibliotheken gegen das native virale Antigen, konnten fünf HIV-1 Env-spezifische Antikörperfragmente identifiziert werden. Drei der fünf selektionierten Antikörperklone waren zudem in der Lage, reformatiert an eine Fc-Domäne eines humanen IgG1, bis zu neun von insgesamt 16 getesteten unterschiedlichen Tier 1 bzw. Tier 2 Env-pseudotypisierten HI-Virusisolaten in vitro zu neutralisieren. Verglichen mit dem Neutralisationspotential der zurzeit potentesten bekannten bnAbs, fällt die Neutralisationsaktivität der identifizierten Antikörperklone zwar schwächer aus, allerdings zeigte der Klon scFv#1-Fc überraschenderweise neben seiner Neutralisations- auch eine ADCC-Aktivität. Somit liefern die Ergebnisse einen ersten Hinweis darauf, dass die beiden Antikörper-vermittelten Effektorfunktionen des scFv#1-Fc-Konstrukts möglicherweise in der Erkennung eines für bnAbs bisher unbekannten Bereiches in der viralen Hüllproteinstruktur begründet ist. Diese Annahme wird zusätzlich durch die Beobachtung untermauert, dass die ebenso identifizierten HIV-1 neutralisierenden Antikörperklone scFv#3-Fc und VHH#2-Fc, trotz der Kopplung an die gleiche Fc-Domäne, keine ADCC-Aktivität aufwiesen.
In einem zweiten durchgeführten Projekt wurde im Rahmen dieser Doktorarbeit das kürzlich identifizierte HIV-1 Epitop EC26-2A4 aufgrund der partiellen Überlagerung mit dem Kernepitop des polyreaktiven monoklonalen Antikörpers (mAb) 2F5 modifiziert. Das Epitop Ec26-2A4 ist innerhalb der hochkonservierten membrane-proximal external region (MPER) der gp41-Untereinheit des HIV-Hüllproteins lokalisiert und führt nachweislich zur Induktion nAbs in immunisierten Mäusen. Mit Hilfe von Peptidarrays konnte gezeigt werden, dass die Verkürzung des ursprünglich 29 Aminosäure (AS) langen Peptids auf acht AS (659ELLELDKW666) und die Substitution des Tryptophans an der Position 666 gegen ein Methionin mit dem Verlust der Epitoperkennung durch den mAb 2F5 einhergeht und darüber hinaus die Bindung EC26-2A4-spezifischer Antikörper nicht beeinträchtigt worden ist. Immunisierungsstudien mit der modifizierten Epitopvariante EC26-2A4ΔM offenbarten zudem die Induktion hoher Epitop-spezifischer Antikörpertiter in NMRI-Mäusen. Außerdem zeigten die Mausseren mit EC26-2A4ΔM-spezifischen Antikörpern in standardisierten TZM-bl-Reporterzell-Assays eine vergleichbare in vitro Neutralisationsaktivität, wie die mit dem unmutierten EC26-2A4 Peptid behandelten Tiere. Weiterhin wurde zusätzlich die Anwesenheit EC26-2A4ΔM-spezifischer Antikörper in zwei HIV-Patientenkohorten mittels ELISA evaluiert und mit klassischen klinischen Parametern korreliert: einer ART-positiven (~1000 HIV-Patienten) und einer ART-naiven Kohorte (71 LTNPs). Hierbei konnte für rund 9 % der Patienten, die unter Behandlung mit antiretroviralen Medikamenten stehen, das Vorhandensein EC26-2A4ΔM-spezifischer Antikörper nachgewiesen werden. In der ART-naiven Kohorte war der Anteil EC26-2A4ΔM-IgG positiver Patienten sogar um das 3-fache größer. Während für die therapierte Kohorte kein Unterschied bei den beiden bedeutenden HIV-1 Surrogatmarkern, der Viruslast und der CD4-Zellzahl, zwischen den Patienten mit und ohne solcher Epitop-spezifischer Antikörper beobachtet werden konnte, was vermutlich in der HIV-Therapie selbst begründet ist, zeigten Patienten der ART-naiven Kohorte mit EC26-2A4ΔM-spezifischen Antikörpern im Plasma reduzierte Mengen an viraler RNA und proviraler DNA. Interessanterweise wurde überdies eine nahezu doppelt so starke Reduktion der Viruslast in solchen Patienten ausgemacht, die neben EC26-2A4ΔM-spezifischen Antikörpern auch Immunglobuline gegen ein weiteres bekanntes MPER-Eptiop m3S aufwiesen. Zudem offenbarten die EC26-2A4ΔM-IgG, aufgereinigt aus dem Plasma von acht HIV-Patienten, ebenso eine heterologe Neutralisationsaktivität gegen HIV-1 Pseudoviren von vier unterschiedlichen Env-Subtypen. Des Weiteren konnte auch mittels ELISA für die Patienten-abgeleiteten Antikörper eine fehlende Kreuzreaktivität mit den Phospholipiden Cardiolipin und Phosphatidylserin ausgemacht werden, welche für den 2F5 Antikörper typisch sind. Die oben beschriebenen Ergebnisse lassen somit die Schlussfolgerung zu, dass eine Kombination beider gp41-Epitope möglicherweise einen geeigneten Ansatz zur Induktion therapeutisch wirksamer HIV-1 Antikörper darstellt. |
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Ringel, Max Oliver |
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In der Regel werden HIV-positive Patienten heutzutage mit antiretroviralen Medikamenten therapiert, wodurch die HIV-Infektion unter Kontrolle bleibt. Trotz großer Erfolge in der Weiterentwicklung der ART gegen HIV-1, existiert bisher keine Heilung des Virus. Darüber hinaus ist eine lebenslange HIV-Therapie mit antiretroviralen Medikamenten häufig auch mit Nebenwirkungen und der Gefahr auftretender viraler Resistenzen gegenüber den ART-Medikamenten verbunden. Deshalb ist die Entwicklung einer protektiven Impfung, die Menschen vor einer Infektion mit HIV-1 schützen kann, das Hauptziel in der HIV-Forschung. Allerdings konnte dieses Bestreben bis heute nicht erreicht werden. Eine Ursache hierfür liegt unter anderem in der enormen genetischen Diversität und Flexibilität des HI-Virus. Neben der Impfstoffentwicklung liegt der Fokus auch auf der Erforschung alternativer HIV-Therapien, die weniger toxisch und daher besser verträglich sind. Interessante Kandidaten, die sowohl protektiv als auch therapeutisch besonders geeignet erscheinen, sind Antikörper mit breit neutralisierenden Eigenschaften (bnAbs), die einen Schutz gegen eine Vielzahl genetisch unterschiedlicher HIV-1 Subtypen liefern können. BnAbs sind in der Lage durch Bindung konservierter Bereiche des viralen Hüllproteins (Env), welche für den Viruseintritt in die Zelle von essentieller Bedeutung sind, deren Infektion zu verhindern. Darüber hinaus sind für nahezu alle bnAbs einige besondere Eigenschaften bekannt, wie eine hohe Anzahl somatischer Hypermutationen, außergewöhnlich lange heavy chain complementary determining regions 3 (HCDR3) und oftmals eine signifikante Poly- oder Autoreaktivität. Aufgrund des andauernden Selektionskreislaufes mit dem mutierenden Virus, werden solche Antikörper erst mehrere Jahre nach der initialen HIV-Infektion infolge von Affinitätsreifungsprozessen im Organismus evolviert. Trotz des detaillierten Wissensstands über bnAbs und deren Epitope innerhalb des HIV-Env, ist es bisher nicht gelungen, solche speziellen Antikörper mit Hilfe geeigneter Immunogene zu induzieren. Dennoch konnte für einige der potentesten bisher identifizierten bnAbs wie den 3BNC117, den 10-1074 oder den VRC01 in verschiedenen Studien mit nicht-humanen Primaten und auch Menschen das beträchtliche therapeutische Potential solcher Antikörper bereits nachgewiesen werden. Die Applikation einzelner Dosen führte sowohl in den SHIV-infizierten Affen als auch in den HIV-positiven Patienten zu einer rapiden Antikörpertiter-abhängigen Reduktion der Virusreplikation. Allerdings offenbarten die Studienergebnisse auch, dass für eine dauerhafte Kontrolle der Virusinfektion mehrere neutralisierende Antikörper notwendig sind, aufgrund der rapiden Entwicklung viraler Resistenzmutationen gegen einzelne bnAbs. Besonders wirkungsvoll erwiesen sich hierbei Antikörperkombinationen, die verschiedene Domänen des HIV-Hüllproteins erkennen. Aus diesem Grund wurden in der vorliegenden Doktorarbeit neue HIV-1 neutralisierende Antikörper mittels zellbasierter Phagen-Display-Technologie selektioniert und deren Bindungs- und Neutralisationseigenschaften charakterisiert. Da das Antigen (HIV-Env) auf der viralen Oberfläche in nur etwa 10 bis 14 „Spikes“ vorliegt, erfolgte die Selektion HIV-spezifischer Antikörper unter Verwendung nativer membranassoziierter Hüllproteine, welche auf der Oberfläche transfizierter HeLa-Zellen präsentiert wurden. Diese Art der Antigenpräsentation, im Zusammenhang mit der Identifikation HIV-spezifischer bnAbs, ist bisher noch nicht publiziert worden und bietet daher möglicherweise eine neue Strategie zur Anreicherung neuartiger potenter bnAbs gegen HIV-1. Insgesamt wurden hierfür zwei Zelllinien mittels stabiler Transfektion generiert, die jeweils eine Variante des HIV-Env-Subtyps B bzw. -Subtyps C in der Plasmamembran exprimieren. Mit Hilfe der Durchfluss-zytometrie und Zell-Zell-Fusionsassays konnte sowohl die native Konformation als auch die Funktionalität der membranständigen Env-Moleküle nachgewiesen werden. Darüber hinaus wurde für beide HIV-Subtypen eine Anzahl von über 104 Env-Spikes pro HeLa-Zelle quantitativ ermittelt. Zudem wurden, ausgehend von einer Kohorte aus sieben rekrutierten long-term non-progressors (LTNPs), von vier LTNPs mit einer heterologen Plasma-Neutralisationsaktivität single-chain variable fragment (scFv)-Phagenbibliotheken aus dem Antikörpergenrepertoire generiert. LTNPs sind Patienten, die eine chronische HIV-1 Infektion durch verschiedene genetische und immunologische Wirtsfaktoren lang anhaltend ohne ART kontrollieren können. Experimentelle Studien haben bereits belegt, dass bnAbs in einer Gruppe von HIV-controllers mit niedriger Viruslast an der Kontrolle der HIV-1 Infektion maßgeblich beteiligt sind. Anhand der subtraktiven Selektion der Patienten-abgeleiteten Immunbibliotheken gegen das native virale Antigen, konnten fünf HIV-1 Env-spezifische Antikörperfragmente identifiziert werden. Drei der fünf selektionierten Antikörperklone waren zudem in der Lage, reformatiert an eine Fc-Domäne eines humanen IgG1, bis zu neun von insgesamt 16 getesteten unterschiedlichen Tier 1 bzw. Tier 2 Env-pseudotypisierten HI-Virusisolaten in vitro zu neutralisieren. Verglichen mit dem Neutralisationspotential der zurzeit potentesten bekannten bnAbs, fällt die Neutralisationsaktivität der identifizierten Antikörperklone zwar schwächer aus, allerdings zeigte der Klon scFv#1-Fc überraschenderweise neben seiner Neutralisations- auch eine ADCC-Aktivität. Somit liefern die Ergebnisse einen ersten Hinweis darauf, dass die beiden Antikörper-vermittelten Effektorfunktionen des scFv#1-Fc-Konstrukts möglicherweise in der Erkennung eines für bnAbs bisher unbekannten Bereiches in der viralen Hüllproteinstruktur begründet ist. Diese Annahme wird zusätzlich durch die Beobachtung untermauert, dass die ebenso identifizierten HIV-1 neutralisierenden Antikörperklone scFv#3-Fc und VHH#2-Fc, trotz der Kopplung an die gleiche Fc-Domäne, keine ADCC-Aktivität aufwiesen. In einem zweiten durchgeführten Projekt wurde im Rahmen dieser Doktorarbeit das kürzlich identifizierte HIV-1 Epitop EC26-2A4 aufgrund der partiellen Überlagerung mit dem Kernepitop des polyreaktiven monoklonalen Antikörpers (mAb) 2F5 modifiziert. Das Epitop Ec26-2A4 ist innerhalb der hochkonservierten membrane-proximal external region (MPER) der gp41-Untereinheit des HIV-Hüllproteins lokalisiert und führt nachweislich zur Induktion nAbs in immunisierten Mäusen. Mit Hilfe von Peptidarrays konnte gezeigt werden, dass die Verkürzung des ursprünglich 29 Aminosäure (AS) langen Peptids auf acht AS (659ELLELDKW666) und die Substitution des Tryptophans an der Position 666 gegen ein Methionin mit dem Verlust der Epitoperkennung durch den mAb 2F5 einhergeht und darüber hinaus die Bindung EC26-2A4-spezifischer Antikörper nicht beeinträchtigt worden ist. Immunisierungsstudien mit der modifizierten Epitopvariante EC26-2A4ΔM offenbarten zudem die Induktion hoher Epitop-spezifischer Antikörpertiter in NMRI-Mäusen. Außerdem zeigten die Mausseren mit EC26-2A4ΔM-spezifischen Antikörpern in standardisierten TZM-bl-Reporterzell-Assays eine vergleichbare in vitro Neutralisationsaktivität, wie die mit dem unmutierten EC26-2A4 Peptid behandelten Tiere. Weiterhin wurde zusätzlich die Anwesenheit EC26-2A4ΔM-spezifischer Antikörper in zwei HIV-Patientenkohorten mittels ELISA evaluiert und mit klassischen klinischen Parametern korreliert: einer ART-positiven (~1000 HIV-Patienten) und einer ART-naiven Kohorte (71 LTNPs). Hierbei konnte für rund 9 % der Patienten, die unter Behandlung mit antiretroviralen Medikamenten stehen, das Vorhandensein EC26-2A4ΔM-spezifischer Antikörper nachgewiesen werden. In der ART-naiven Kohorte war der Anteil EC26-2A4ΔM-IgG positiver Patienten sogar um das 3-fache größer. Während für die therapierte Kohorte kein Unterschied bei den beiden bedeutenden HIV-1 Surrogatmarkern, der Viruslast und der CD4-Zellzahl, zwischen den Patienten mit und ohne solcher Epitop-spezifischer Antikörper beobachtet werden konnte, was vermutlich in der HIV-Therapie selbst begründet ist, zeigten Patienten der ART-naiven Kohorte mit EC26-2A4ΔM-spezifischen Antikörpern im Plasma reduzierte Mengen an viraler RNA und proviraler DNA. Interessanterweise wurde überdies eine nahezu doppelt so starke Reduktion der Viruslast in solchen Patienten ausgemacht, die neben EC26-2A4ΔM-spezifischen Antikörpern auch Immunglobuline gegen ein weiteres bekanntes MPER-Eptiop m3S aufwiesen. Zudem offenbarten die EC26-2A4ΔM-IgG, aufgereinigt aus dem Plasma von acht HIV-Patienten, ebenso eine heterologe Neutralisationsaktivität gegen HIV-1 Pseudoviren von vier unterschiedlichen Env-Subtypen. Des Weiteren konnte auch mittels ELISA für die Patienten-abgeleiteten Antikörper eine fehlende Kreuzreaktivität mit den Phospholipiden Cardiolipin und Phosphatidylserin ausgemacht werden, welche für den 2F5 Antikörper typisch sind. Die oben beschriebenen Ergebnisse lassen somit die Schlussfolgerung zu, dass eine Kombination beider gp41-Epitope möglicherweise einen geeigneten Ansatz zur Induktion therapeutisch wirksamer HIV-1 Antikörper darstellt. 2020-07-23 Ph.D. Thesis NonPeerReviewed text CC-BY-SA 4.0 International - Creative Commons, Attribution Share-alike https://tuprints.ulb.tu-darmstadt.de/12816/1/OL-2020-07-23-V1.0.pdf Ringel, Max Oliver <http://tuprints.ulb.tu-darmstadt.de/view/person/Ringel=3AMax_Oliver=3A=3A.html> (2020): HIV-1 neutralisierende Antikörper als Werkzeuge für prophylaktische und therapeutische Impfansätze.Darmstadt, Technische Universität, DOI: 10.25534/tuprints-00012816 <https://doi.org/10.25534/tuprints-00012816>, [Ph.D. Thesis] https://doi.org/10.25534/tuprints-00012816 de info:eu-repo/semantics/doctoralThesis info:eu-repo/semantics/openAccess |