Schwefel und Persulfid (Di-) Oxygenasen: Biochemische, spektroskopische und strukturelle Eigenschaften und deren Einfluss auf die Reaktionsmechanismen

Als Schwefel (Di-)Oxygenasen waren ursprünglich zwei Enzymklassen beschrieben worden, die elementaren Schwefel (S0) mit Sauerstoff (O2) oxidieren. Sie gehören zu der sehr viel größeren Gruppe sogenannter „Schwefel-oxidierender Enzyme“, unter denen alle Enzyme zusammengefasst sind, die reduzierte Sch...

Full description

Bibliographic Details
Main Author: Rühl, Patrick
Format: Others
Language:de
Published: 2020
Online Access:https://tuprints.ulb.tu-darmstadt.de/11493/1/Dissertation_R%C3%BChl_2020.pdf
Rühl, Patrick <http://tuprints.ulb.tu-darmstadt.de/view/person/R=FChl=3APatrick=3A=3A.html> (2020): Schwefel und Persulfid (Di-) Oxygenasen: Biochemische, spektroskopische und strukturelle Eigenschaften und deren Einfluss auf die Reaktionsmechanismen.Darmstadt, Technische Universität, DOI: 10.25534/tuprints-00011493 <https://doi.org/10.25534/tuprints-00011493>, [Ph.D. Thesis]
Description
Summary:Als Schwefel (Di-)Oxygenasen waren ursprünglich zwei Enzymklassen beschrieben worden, die elementaren Schwefel (S0) mit Sauerstoff (O2) oxidieren. Sie gehören zu der sehr viel größeren Gruppe sogenannter „Schwefel-oxidierender Enzyme“, unter denen alle Enzyme zusammengefasst sind, die reduzierte Schwefelverbindungen oxidieren. Die hier untersuchten Schwefel Oxygenasen Reduktasen (SORs) und Persulfid Dioxygenasen (PDOs) ähneln sich darin, dass sie mononukleare nicht-Häm Eisenatome besitzen, welche die S0- bzw. Persulfid-Oxidation mit O2 in den jeweiligen aktiven Zentren katalysieren. Die vorliegende Arbeit hatte das Ziel, Vertreter beider nicht verwandter Enzymklassen auf molekularer und struktureller Ebene im Detail zu charakterisieren, um Rückschlüsse auf generelle Funktionsweisen und die Reaktionsmechanismen zu erhalten. PDOs kommen in der Natur ubiquitär vor und katalysieren die sauerstoffabhängige Oxidation des Sulfanschwefels von Glutathionpersulfid (GSSH), das aus reduziertem Glutathion (GSH) durch Sulfanschwefel-Transferasen oder auch spontan mit S0 entsteht. Reaktionsprodukte der PDOs sind Sulfit und GSH. Das pdo-Gen aus Acidithiobacillus caldus (AcPDO) wurde heterolog in E. coli exprimiert, mit durchschnittlichen Proteinausbeuten von ≈ 27,9 mg/l LB-Medium. Der mittlere Eisengehalt der rekombinanten Proteine betrug 0,77 nmol Fe/nmol Protein bei einer Enzymaktivität von 61,0 U/mg Protein bei 40 °C und pH 7,5. Enzymtests mit steigenden GSH-Konzentrationen und S0 als Co-Substrat resultierten in einer Michaelis-Menten-Kinetik mit KM und Kcat von 0,5 mM und 181 s-1, wohingegen steigende GSSH-Konzentrationen einen sigmoidalen Kurvenverlauf mit einem Hill-Koeffizienten von 2,3 zur Folge hatte, was auf positive Kooperativität der Enzymuntereinheiten hindeutet. Die AcPDO-Röntgenkristallstruktur wurde mit einer Auflösung von 2,07 Å aufgeklärt, deren asymmetrische Einheit aus einem Homodimer besteht. Die Kristallpackung der Einheitszelle und Gelfiltration legen eine Tetramerisierung nahe, welche über Oberflächenladungen und hydrophobe Interaktionen vermittelt wird. Das katalytische high-spin Eisenatom wird in einer 2-His-1-Carboxylat-Triade ligiert und besitzt ein Reduktionspotential E0‘ von -234 mV. Spektroskopische Analysen zeigten charakteristische Ladungstransfer-Spezies nach Inkubation mit GSSH, welche auf Fe-O2 und Fe-O2-SSR-Intermediate zurückzuführen sind und legten die Bildung eines Fe(IV)-Reaktionsintermediates nahe. In einer ersten, umfassenden PDO-Mutagenese-Studie wurden insgesamt zehn funktional wichtige Aminosäuren identifiziert, von denen D61, H62 und H171 konserviert und essentiell sind. Sie befinden sich in zwei active site loops in unmittelbarer Nähe zum Eisenzentrum und sind vermutlich über Säure-Base-katalysiertes Protonen-Shuffling direkt an der homolytischen Spaltung eines zyklischen Peroxo-Reaktionsintermediates beteiligt. Substratbindungsanalysen gaben einen KD-Wert von 113 µM für die GSSH Bindung an, wobei eine Alanin-Variante des in der Substratbindungstasche befindlichen R139 einen starken Abfall der Enzymaktivität bewirkte und nicht mehr in der Lage war, Substrat zu binden. Oberflächen-Cysteine befinden sich in beachtlichen Abstand zum aktiven Zentrum (>16 Å) und bilden in der AcPDO-3D-Struktur eine Disulfidbrücke aus. Gel-Shift-Assays zeigten, dass es sich um ein redoxaktives Zentrum handelt. Die Disulfidbrücke stabilisiert eine α-Helix und koordiniert über N221 die Position von D61 und H62. Alanin-Varianten der beiden Cysteine besaßen verbleibende Enzymaktivitäten von <2 % und zeigten nach GS(S)H-Inkubation massenspektrometrisch eine Glutathionylierung am jeweils verbleibenden Cystein. Die Ergebnisse deuten darauf hin, dass die Protein-S-Glutathionylierung als Schutzmechanismus gegen unkontrollierte Thiol-Oxidation und dem damit verbundenen Verlust der Enzymaktivität fungiert. SORs katalysieren eine sauerstoffabhängige Disproportionierungsreaktion von S0 mit Sulfit und Sulfid als Reaktionsprodukte. Normalerweise besitzen SORs Produktstöchiometrien zwischen 4:1 und 10:1, wobei Oxygenase- und Reduktase-Aktivitäten bislang nicht voneinander getrennt werden konnten. Sequenzvergleiche zeigten, dass die SOR aus dem mesophilen Bakterium Thioalkalivibrio paradoxus ARh1 (TpSOR) tief in SOR-Dendrogrammen abzweigt. SWATH-LC/MS/MS-Analysen zeigten, dass die TpSOR – im Gegensatz zu PDOs – in großen Mengen in Kulturen mit Thiosulfat bzw. Thiocyanat als Energiequelle gebildet wird. Sie scheint, zusammen mit revers arbeitender Sulfitreduktase, Adenylylsulfatreduktase und periplasmatischen Flavocytochromen c, eine zentrale Rolle im oxidativen Schwefelmetabolismus von Tv. paradoxus einzunehmen, wobei deren Abundanz eng mit dem Auf- und Abbau intrazellulärer Schwefelkugeln korreliert. Die TpSOR wurde rekombinant in E. coli produziert, mit durchschnittlichen Proteinausbeuten von ≈ 30,9 mg/l LB-Medium. Die mittlere Oxygenase-Aktivität betrug 323 U/mg Protein bei 80 °C und pH 9. Der Schmelzpunkt der TpSOR wurde bei 81 °C ermittelt und befindet sich damit nahe des Temperaturoptimums. Die TpSOR-Reduktase-Aktivität betrug in kolorimetrischen Quantifizierungen der Reaktionsprodukte maximal 0,03 U/mg Protein, was < 1 % im Vergleich zu allen anderen SORs und einem Oxygenase/Reduktase-Verhältnis von ≈ 10 000:1 entspricht. Um reproduzierbare Produktstöchiometrien in SORs zu ermitteln, wurde ein HPLC-gekoppelter SOR-Enzymtest entwickelt. Quantifizierungen der Reaktionsprodukte resultieren in Produktverhältnissen von 30:1 für die TpSOR, wohingegen SORs aus dem hyperthermophilen Archaeon Acidianus ambivalens (AaSOR) und dem mesophilen Bakterium Halo-thiobacillus neapolitanus für die S0-Disproportionierungsreaktion erwartete Verhältnisse von nahezu 1:1 aufwiesen. Dementsprechend scheint die TpSOR eine Schwefel Oxygenase mit einer untypisch geringen Reduktase-Aktivität darzustellen. Die TpSOR-Röntgenkristallstruktur wurde mit einer Auflösung von 2,84 Å aufgeklärt und zeigte einen SOR-typischen Aufbau. Das mononukleare Eisenzentrum befindet sich in einer deformierten oktaedrischen Koordinationssphäre mit einem Reduktionspotential E0‘ von -252 mV und liegt, im Unterschied zur AaSOR, nach Katalyse oxidiert vor. Unterschiede im Vergleich zu anderen SORs ergeben sich in der Konstitution der active site pocket, welche in der TpSOR durch einen interhelikalen loop unterbrochen ist. Die verkleinerte Bindungstasche schließt lediglich das für die Reaktion essentielle C44 ein und könnte Reaktionsprodukte oder -intermediate vor chemischer Oxidation/Reduktion schützen. Darüber hinaus wurde in allen drei SORs mittels Software-gestützten Tunnelanalysen ein zuvor unbekannter Zugang zum aktiven Zentrum identifiziert, welcher über das essentielle Cystein eine zweite Kavität mit der ative site pocket verbindet. AaSOR- und TpSOR-Kryo-EM-Strukturen wurden mit Auflösungen von 2,5 bzw. 3.1 Å aufgeklärt und legen nahe, dass in der Kavität ein zweites Metall gebunden sein könnte. Zusätzliche Elektronendichten an zwei semi-essentiellen active site pocket Cysteinen in der AaSOR-Kryo-EM-Struktur deuten darüber hinaus auf mechanistisch notwendige Schwefel-Polymerisierungs- und/oder -Depolymerisierungsreaktionen hin. Der Vergleich von SORs und PDOs zeigte, dass sich deren Strukturen und Reaktionsmechanismen fundamental unterscheiden, obwohl beide mononukleare Eisenzentren besitzen und Sulfanschwefel mit Sauerstoff oxidieren. Die Tv. paradoxus Proteomanalyse verdeutlichte darüber hinaus, dass die SOR auch im dissimilatorischen Schwefelstoffwechsel mesophiler Bakterien genutzt wird, während die in vivo-Rolle der PDOs in chemolithoautotrophen Bakterien weniger klar ist: Möglicherweise sind sie wichtiger für die Redox-Balance im Cytoplasma als für die oxidative Energiekonversation.