Serielle Analyse stabiler Isotope an Haarkeratin zur post mortem Rekonstruktion von Lebenslaufparametern in forensisch relevanten Fällen von Unterernährung
Die Diagnose einer Unterernährung bei Kindern und Erwachsenen ist in der Pädiatrie und Geriatrie ein wichtiges Thema. Aber auch in der Forensik spielt sie eine große Rolle, gerade im Falle von Vernachlässigung und Missbrauch schutzbefohlener Personen. Derzeit existieren kaum Methoden, um zuverläs...
Main Author: | |
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Format: | Others |
Published: |
Ludwig-Maximilians-Universität München
2013
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Online Access: | http://edoc.ub.uni-muenchen.de/15979/1/Neuberger_Ferdinand_M.pdf http://nbn-resolving.de/urn:nbn:de:bvb:19-159798 |
Summary: | Die Diagnose einer Unterernährung bei Kindern und Erwachsenen ist in der Pädiatrie
und Geriatrie ein wichtiges Thema. Aber auch in der Forensik spielt sie eine große Rolle,
gerade im Falle von Vernachlässigung und Missbrauch schutzbefohlener Personen. Derzeit
existieren kaum Methoden, um zuverlässig den Zeitrahmen einer Unterernährung rückwirkend
zu bestimmen. Die Analyse der stabilen Stickstoff- und Kohlenstoffisotope (δ15N-,
δ13C-Wert) im Haarkeratin ist in der Anthropologie ein etabliertes Verfahren zur Untersuchung
der menschlichen Ernährung und des individuellen Ernährungszustandes. Bei
einem mangelhaften Ernährungszustand müssen die körpereigenen Protein- und Energiereserven
angegriffen und wiederverwertet werden. Dieser sogenannte Hungerstoffwechsel
zeigt sich auch in der biochemischen Zusammensetzung des Haarkeratins. Mithilfe von seriellen
Analysen an Haarproben wird nach spezifischen Signaturen der N- und C-Isotope
gesucht, welche sich während einer Unterernährung ausbilden. So soll ein verlässlicher
Indikator entwickelt werden, welcher es ermöglicht, den Beginn und die Dauer einer Unterernährung
zu rekonstruieren.
Bei dieser Arbeit liegt der Schwerpunkt auf der Analyse von Haarproben aus der
Rechtsmedizin. Jeder dieser 17 Fälle weist eine ausgeprägte Unterernährung auf. Daneben
wurden in einer kleinen Vorstudie vier Haarprobe von Magersuchtpatienten untersucht.
Trotz unbekannter Ernährungsgewohnheiten kann mit Hilfe der Isotopendaten in
den meisten Fällen ein mangelhafter Ernährungszustand diagnostiziert werden. In einigen
Fällen ist es sogar möglich, einzelne Unterernährungsphasen voneinander abzugrenzen.
Zudem lassen sich mitunter auch Erholungsphasen erkennen, in denen sich der Ernährungszustand
scheinbar kurzfristig gebessert hat. Jedoch ist es bisher noch nicht gelungen,
allgemein gültige Erkennungsmerkmale aufzustellen, welche bei allen Fällen ausnahmslos
zur Bestimmung einer Unterernährung angewendet werden können. Folglich muss weiterhin
jeder einzelne Unterernährungsfall individuell analysiert und ausgewertet werden.
Des Weiteren wurde an acht Haarproben aus der Rechtsmedizin die spezifische Aminosäurezusammensetzung
des Haarkeratins während eines schlechten Ernährungszustandes
analysiert. Dabei wurde versucht, der Unterernährungssignatur der δ-Werte weiter auf die
Spur zu kommen. Die Daten zeigen, dass vor allem die Aminosäure Prolin während der
Unterernährungsphasen vermehrt im Haarkeratin zu finden ist. Zwar lässt sich zwischen
dem Verlauf der δ-Werte und der erhöhten Prolinmenge noch kein direkter Zusammenhang
erkennen, jedoch wird deutlich, dass sich die Ergebnisse der Isotopendaten und der
Aminosäureanalyse gegenseitig stützen und so zu einer besseren Aufklärung von Unterernährungsfällen beitragen können.
Da die Entwicklung und der spezifische Verlauf der δ13C-Werte während einer Unterernährung
noch nicht vollständig geklärt sind, wurde ein weiteres Probandenkollektiv in
dieser Arbeit untersucht. Hierfür wurden Haarproben von sechs Probanden gesammelt,
welche an einer medizinisch betreuten Fastentherapie teilnahmen. Durch Haaranalysen
und weitere Untersuchungen sollte geklärt werden, ob 12C-Isotope aus den abgebauten,
körpereigenen Fettreserven auch als Bausteine für das Haarkeratin Verwendung finden
und so für das Absinken des δ13C-Wertes bei einigen Unterernährungsfällen verantwortlich
sind. Es konnte mithilfe dieser Fastenstudie allerdings nicht bewiesen werden, dass
leichte Kohlenstoffisotope aus den abgebauten Fettreserven ins Keratin eingebaut werden.
Die Ergebnisse aus den drei Probandenkollektiven bestätigen jedoch eindeutig, dass
mit Hilfe der seriellen Isotopenanalytik an Haaren sowohl eine Umstellung der Ernährung
erkannt, als auch die Qualität des individuellen Ernährungszustandes beurteilt werden
kann.
Aufgrund dessen könnte gerade diese Methode bei der Aufklärung von Vernachlässigungsfällen,
aber auch bei der Prävention gute Dienste leisten. Dennoch gilt es in zukünftigen
Forschungsansätzen noch einige Problemstellungen zu überwinden, um dieses Ziel
vollständig zu erreichen. |
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