Summary: | <p>Die aktuelle Ausgabe von <em>DIEGESIS</em> beschäftigt sich in sechs Artikeln mit den vielfältigen Zusammenhängen von Glauben und Erzählen. Emilie Garrigou-Kempton setzt sich mit der Rezeption der Marienerscheinung in Lourdes im späten 19. Jahrhundert auseinander. Ihre Textanalysen zeigen, wie katholische und medizinische Erzählungen den Wahrheitsgehalt dieses Ereignisses verhandeln. Andreas Mauz widmet sich einem besonderen Subgenre der autobiographischen Erzählung, nämlich der Sterbegeschichte. An unterschiedlichen Darstellungen von Golgatha kann er zeigen, wie das Lebensende in der Jesus-Literatur narrativ inszeniert wird. Megan Milota untersucht am Beispiel der Diskussionen über einen Roman von Louise Erdrich in religiös geprägten Buch-Clubs in den USA, wie im Prozess der kollektiven Literaturrezeption eigene religiöse Überzeugungen der Mitglieder und narrative Elemente des Textes interagieren. Dabei stellt sie u.a. auch die Aussagekraft des Konzepts des „narrativen Interesses“ heraus, das die Welt des Romans und die der Lesenden aufeinander bezieht. Das Interesse für das Wieder- und Nacherzählen prägt auch den Beitrag von Howard Sklar. Er unterzieht darin zwei Versionen der biblischen Geschichte von Josef in Ägypten einem narratologisch fundierten Vergleich und zeigt dabei, wie zwei Nacherzählungen (<em>Book of Yashar</em> und <em>The Testaments of the Twelve Patriarchs</em>) zu jeweils eigenen Interpretationen des ursprünglichen Stoffes gelangen. Die Bibel steht ebenfalls im Zentrum von Ilse Müllners Beitrag, der die unterschiedlichen Formen und Funktionen der Gottesfigur in alttestamentarischen Erzählungen erörtert. Anhand ausgewählter Passagen untersucht die Autorin narrative Gottesdarstellungen insbesondere im Hinblick auf die spezifischen Eigenschaften des prophetischen Erzählens. Felix Prautzsch untersucht schließlich den Wahrheitsanspruch und Realitätsbezug mittelalterlicher Heiligenlegenden aus dem Korpus der <em>Legenda aurea</em>, deren Status von Zeitgenossen nie in Frage gestellt wurde und erst seit der Reformation systematisch überprüft wird.</p>Darüber hinaus bietet dieses Heft fünf Rezensionen aktueller Beiträge zur Erzählforschung. Zudem freuen wir uns ganz besonders über ein Interview, das Frederick Luis Aldama mit Jonathan Culler geführt hat, sowie einen Gastbeitrag von Gerald Prince, der mit seinem <em>Dictionary of Narratology</em> im Jahr 1983 das erste Nachschlagewerk der Erzähltheorie vorgelegt hat. Seine Einträge zu einem noch zu ergänzenden „humoristischen“ Wörterbuch der Narratologie vervollständigen diese Ausgabe von <em>DIEGESIS</em>. Wir wünschen unseren Leserinnen und Lesern viel Spaß damit.
|