Harmonik und Aufführungspraxis

Wie lässt sich Harmonik aufführungspraktisch interpretieren? Diese Frage erscheint ungewohnt, sind es doch vorherrschend andere musikalische Parameter, welchen aufführungspraktische Relevanz beigemessen wird: dem Rhythmisch-Metrischen hinsichtlich Agogik und Akzentuierung, dem Melodischen im Hinblic...

Full description

Bibliographic Details
Main Author: Hubert Moßburger
Format: Article
Language:deu
Published: Olms (only printed volumes 2003-2017) 2009-08-01
Series:Zeitschrift der Gesellschaft für Musiktheorie
Subjects:
Online Access:https://storage.gmth.de/zgmth/pdf/447
id doaj-d4958fcc17a143fe82ac2edc8b1f30ed
record_format Article
spelling doaj-d4958fcc17a143fe82ac2edc8b1f30ed2020-11-25T02:45:48ZdeuOlms (only printed volumes 2003-2017)Zeitschrift der Gesellschaft für Musiktheorie 1862-67422009-08-0162–318723010.31751/447447Harmonik und AufführungspraxisHubert MoßburgerWie lässt sich Harmonik aufführungspraktisch interpretieren? Diese Frage erscheint ungewohnt, sind es doch vorherrschend andere musikalische Parameter, welchen aufführungspraktische Relevanz beigemessen wird: dem Rhythmisch-Metrischen hinsichtlich Agogik und Akzentuierung, dem Melodischen im Hinblick auf Dynamik und der formalen Gliederung bezüglich Artikulation und Phrasierung. Als Gründe für die Vernachlässigung der Harmonik als Faktor der Aufführungspraxis mögen gelten: erstens, dass die Harmonik im wahrnehmungsästhetischen Hintergrund als logisch-zusammenhangstiftendes Prinzip wirkt, und zweitens der Rückgang der improvisatorischen Anteile der Komposition (Ornamentik) ab 1800; zudem schränkten die sich im Laufe des 19. Jahrhunderts immer dichter über den Tonsatz ausbreitenden Vortragsbezeichnungen den Interpreten in seiner Gestaltungsfreiheit ein. Dennoch kommt der Harmonik in fast allen Vortragslehren des 18. und 19. Jahrhunderts (Quantz, Bach, Türk, Czerny, Riemann) noch zentrale Bedeutung für die Aufführungspraxis zu. Auf Grundlage dieser Quellen werden folgende Kriterien für die Interpretation von Harmonik zusammengestellt, in ihrem geschichtlichen Wandel untersucht und an Literaturbeispielen belegt: Konsonanz-Dissonanz, Chromatik (tonartfremde Klänge), Enharmonik, Akkordprogression und Modulation. Als musikalische Gestaltungsmittel dieser fünf Interpretationsaspekte stehen Dynamik, Gewichtung (ganzer Akkorde, aber auch von Einzeltönen), Agogik, Intonation und Farbgebung zur Verfügung. Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass Harmonik nur ein Teilmoment von Musik ist, das in Wechselwirkung zu anderen Parametern steht, muss sich der Interpret seiner Aufgabe, einen Zusammenhang zwischen den verschiedenen musikalischen Faktoren herzustellen, umso bewusster sein. Dass aber Harmonik selbst schon komponierte Interpretation (z.B. einer Melodie) ist, nimmt den Interpreten nicht nur in die Pflicht, sondern lädt ihn auch ein zu einer spannenden Entdeckungsreise durch die fantastischen Interpretationsmöglichkeiten musikalischer Komposition.https://storage.gmth.de/zgmth/pdf/447AufführungspraxisCarl CzernyJean-Philippe RameauHarmonikMetrikMoritz HauptmannCarl Philipp Emanuel BachHugo RiemannharmonicDaniel Gottlob TürkJohann Joachim QuantzSixte ajoutéeJohannes de GarlandiaHalbtonanschlussDreiklangtriadErnst KrenekEnharmonikMotivikenharmonicAlfred Brendelmetre
collection DOAJ
language deu
format Article
sources DOAJ
author Hubert Moßburger
spellingShingle Hubert Moßburger
Harmonik und Aufführungspraxis
Zeitschrift der Gesellschaft für Musiktheorie
Aufführungspraxis
Carl Czerny
Jean-Philippe Rameau
Harmonik
Metrik
Moritz Hauptmann
Carl Philipp Emanuel Bach
Hugo Riemann
harmonic
Daniel Gottlob Türk
Johann Joachim Quantz
Sixte ajoutée
Johannes de Garlandia
Halbtonanschluss
Dreiklang
triad
Ernst Krenek
Enharmonik
Motivik
enharmonic
Alfred Brendel
metre
author_facet Hubert Moßburger
author_sort Hubert Moßburger
title Harmonik und Aufführungspraxis
title_short Harmonik und Aufführungspraxis
title_full Harmonik und Aufführungspraxis
title_fullStr Harmonik und Aufführungspraxis
title_full_unstemmed Harmonik und Aufführungspraxis
title_sort harmonik und aufführungspraxis
publisher Olms (only printed volumes 2003-2017)
series Zeitschrift der Gesellschaft für Musiktheorie
issn 1862-6742
publishDate 2009-08-01
description Wie lässt sich Harmonik aufführungspraktisch interpretieren? Diese Frage erscheint ungewohnt, sind es doch vorherrschend andere musikalische Parameter, welchen aufführungspraktische Relevanz beigemessen wird: dem Rhythmisch-Metrischen hinsichtlich Agogik und Akzentuierung, dem Melodischen im Hinblick auf Dynamik und der formalen Gliederung bezüglich Artikulation und Phrasierung. Als Gründe für die Vernachlässigung der Harmonik als Faktor der Aufführungspraxis mögen gelten: erstens, dass die Harmonik im wahrnehmungsästhetischen Hintergrund als logisch-zusammenhangstiftendes Prinzip wirkt, und zweitens der Rückgang der improvisatorischen Anteile der Komposition (Ornamentik) ab 1800; zudem schränkten die sich im Laufe des 19. Jahrhunderts immer dichter über den Tonsatz ausbreitenden Vortragsbezeichnungen den Interpreten in seiner Gestaltungsfreiheit ein. Dennoch kommt der Harmonik in fast allen Vortragslehren des 18. und 19. Jahrhunderts (Quantz, Bach, Türk, Czerny, Riemann) noch zentrale Bedeutung für die Aufführungspraxis zu. Auf Grundlage dieser Quellen werden folgende Kriterien für die Interpretation von Harmonik zusammengestellt, in ihrem geschichtlichen Wandel untersucht und an Literaturbeispielen belegt: Konsonanz-Dissonanz, Chromatik (tonartfremde Klänge), Enharmonik, Akkordprogression und Modulation. Als musikalische Gestaltungsmittel dieser fünf Interpretationsaspekte stehen Dynamik, Gewichtung (ganzer Akkorde, aber auch von Einzeltönen), Agogik, Intonation und Farbgebung zur Verfügung. Vor dem Hintergrund der Tatsache, dass Harmonik nur ein Teilmoment von Musik ist, das in Wechselwirkung zu anderen Parametern steht, muss sich der Interpret seiner Aufgabe, einen Zusammenhang zwischen den verschiedenen musikalischen Faktoren herzustellen, umso bewusster sein. Dass aber Harmonik selbst schon komponierte Interpretation (z.B. einer Melodie) ist, nimmt den Interpreten nicht nur in die Pflicht, sondern lädt ihn auch ein zu einer spannenden Entdeckungsreise durch die fantastischen Interpretationsmöglichkeiten musikalischer Komposition.
topic Aufführungspraxis
Carl Czerny
Jean-Philippe Rameau
Harmonik
Metrik
Moritz Hauptmann
Carl Philipp Emanuel Bach
Hugo Riemann
harmonic
Daniel Gottlob Türk
Johann Joachim Quantz
Sixte ajoutée
Johannes de Garlandia
Halbtonanschluss
Dreiklang
triad
Ernst Krenek
Enharmonik
Motivik
enharmonic
Alfred Brendel
metre
url https://storage.gmth.de/zgmth/pdf/447
work_keys_str_mv AT hubertmoßburger harmonikundauffuhrungspraxis
_version_ 1724760031609487360