Drei Modelle zur Lösung der Spannung zwischen Tradition und Innovation im islamischen Recht / Three Models to Resolve the Tension Between Tradition and Innovation in Islamic Law

Muslimische Gelehrte waren bestrebt, das vorhandene Recht zu dynamisieren und neue Fälle, die in den autoritativen Quellen nicht angesprochen wurden, rechtskonform zu bewerten. Vor allem ab dem 2./8. Jahrhundert wurden Rechtsfindungs- und Rechtfortbildungsmethoden entwickelt, die je nach unterschied...

Full description

Bibliographic Details
Main Author: Serdar Kurnaz
Format: Article
Language:deu
Published: Ancilla Iuris 2019-08-01
Series:Ancilla Iuris
Online Access:https://www.anci.ch/articles/Ancilla2019_49_Kurnaz.pdf
Description
Summary:Muslimische Gelehrte waren bestrebt, das vorhandene Recht zu dynamisieren und neue Fälle, die in den autoritativen Quellen nicht angesprochen wurden, rechtskonform zu bewerten. Vor allem ab dem 2./8. Jahrhundert wurden Rechtsfindungs- und Rechtfortbildungsmethoden entwickelt, die je nach unterschiedlicher erkenntnistheoretischer Haltung stark rechtflexibilisierend bis rechtkonservierend ausdiskutiert wurden. Der vorliegende Beitrag bezieht sich exemplarisch auf drei Rechtfindungsmechanismen: 1. Die enge Textauslegung, die eher flexibilisierungshemmend wirkt, 2. die Betonung der übergeordneten Ziele der Scharia, die Flexibilität ermöglicht, aber (stark) kontrolliert und 3. eine unbekannte Alternativherangehensweise von Ibn Rušd (Averroes), der das Recht in Naturrecht und positives Recht unterteilt und entsprechend auf das islamische Recht anwendet. Diese letzte Herangehensweise wird im Beitrag als Möglichkeit gesehen, eine islamisch-theologische und rechtsphilosophisch fundierte alternative Methode für die Gespräche über die Rolle des zeitgenössischen islamischen Rechts zu gewinnen. / Muslim scholars were anxious to dynamize existing law and to evaluate new cases that were not addressed in the authoritative sources, in conformity with the law. From the 2nd and 8th centuries onwards, in particular, methods of finding and furthering the law were developed which, depending on different epistemological attitudes, were discussed in a way that made the law very flexible and even conserved it. The present article refers to three legal mechanisms as examples: The narrow interpretation of the text, which tends to inhibit flexibility; 2. the emphasis on the overarching aims of Sharia law, which allows for flexibility but (strongly) controls it; and 3. an unknown alternative approach by Ibn Rushd (Averroes), who divides law into natural and positive law and applies it to Islamic law accordingly. This last approach is seen in the present article as a possibility to gain an Islamic-theological and legal-philosophically founded alternative method for the discussions on the role of contemporary Islamic law.
ISSN:1661-8610