Praxisorientierung als Überlebensstrategie

Gestützt auf die Soziologie Pierre Bourdieus fragt der vorliegende Aufsatz nach dem Fach- und Berufsverständnis von Walter Hagemann, der 1946 als universitätsfremder Seiteneinsteiger die Leitung des Zeitungswissenschaftlichen Instituts an der Universität Münster übernahm und dann rasch an die Spitze...

Full description

Bibliographic Details
Main Authors: Thomas Wiedemann, Maria Löblich, Michael Meyen
Format: Article
Language:deu
Published: Nomos Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG 2012-05-01
Series:Studies in Communication, Media
Online Access:https://www.nomos-elibrary.de/10.5771/2192-4007-2012-2-225
id doaj-383fd1bcfc74415ba0a2c87119dae686
record_format Article
spelling doaj-383fd1bcfc74415ba0a2c87119dae6862020-11-25T00:57:39ZdeuNomos Verlagsgesellschaft mbH & Co. KGStudies in Communication, Media2192-40072012-05-011222525510.5771/2192-4007-2012-2-2251057712192400720122225Praxisorientierung als ÜberlebensstrategieThomas WiedemannMaria LöblichMichael MeyenGestützt auf die Soziologie Pierre Bourdieus fragt der vorliegende Aufsatz nach dem Fach- und Berufsverständnis von Walter Hagemann, der 1946 als universitätsfremder Seiteneinsteiger die Leitung des Zeitungswissenschaftlichen Instituts an der Universität Münster übernahm und dann rasch an die Spitze der kleinen Nachkriegsdisziplin gelangte. Mithilfe von zahlreichen Archivquellen, ausgewählten Publikationen und Zeitzeugenauskünften wird gezeigt, dass Hagemann die diskreditierte NS-Zeitungswissenschaft als anwendungsorientierte Publizistikwissenschaft neu erfand. Erklären lässt sich diese spezifische Neuausrichtung nicht nur mit Hagemanns journalistischer Vergangenheit und den Kontakten, über die er als Persönlichkeit des öffentlichen Lebens verfügte, sondern auch mit den Erfordernissen, denen er als Vertreter eines existenzbedrohten Fachs entsprechen musste. Ob sein Theoriegebäude, die von ihm betriebene Lehre und Forschung oder sein institutionelles Engagement – Hagemanns gesamtes wissenschaftliches Wirken war geprägt von dem Bemühen, mit der Praxis in Beziehung zu treten und der Disziplin auf diesem Weg die überlebenswichtige Anerkennung zu verschaffen. Sein Ansatz, der zwar die Kritiker aus der Praxis nicht vollends verstummen ließ, aber zumindest im Fach auf große Resonanz stieß, fand jedoch Ende der 1950er Jahre ein abruptes Ende. Nach einem öffentlichen Auftritt an der Seite von Walter Ulbricht in der DDR wurde Walter Hagemann aus der Fachgemeinschaft ausgeschlossen, und ohne wissenschaftliches Erbe geriet sein praxisorientierter Ansatz schon bald wieder in Vergessenheit.https://www.nomos-elibrary.de/10.5771/2192-4007-2012-2-225
collection DOAJ
language deu
format Article
sources DOAJ
author Thomas Wiedemann
Maria Löblich
Michael Meyen
spellingShingle Thomas Wiedemann
Maria Löblich
Michael Meyen
Praxisorientierung als Überlebensstrategie
Studies in Communication, Media
author_facet Thomas Wiedemann
Maria Löblich
Michael Meyen
author_sort Thomas Wiedemann
title Praxisorientierung als Überlebensstrategie
title_short Praxisorientierung als Überlebensstrategie
title_full Praxisorientierung als Überlebensstrategie
title_fullStr Praxisorientierung als Überlebensstrategie
title_full_unstemmed Praxisorientierung als Überlebensstrategie
title_sort praxisorientierung als überlebensstrategie
publisher Nomos Verlagsgesellschaft mbH & Co. KG
series Studies in Communication, Media
issn 2192-4007
publishDate 2012-05-01
description Gestützt auf die Soziologie Pierre Bourdieus fragt der vorliegende Aufsatz nach dem Fach- und Berufsverständnis von Walter Hagemann, der 1946 als universitätsfremder Seiteneinsteiger die Leitung des Zeitungswissenschaftlichen Instituts an der Universität Münster übernahm und dann rasch an die Spitze der kleinen Nachkriegsdisziplin gelangte. Mithilfe von zahlreichen Archivquellen, ausgewählten Publikationen und Zeitzeugenauskünften wird gezeigt, dass Hagemann die diskreditierte NS-Zeitungswissenschaft als anwendungsorientierte Publizistikwissenschaft neu erfand. Erklären lässt sich diese spezifische Neuausrichtung nicht nur mit Hagemanns journalistischer Vergangenheit und den Kontakten, über die er als Persönlichkeit des öffentlichen Lebens verfügte, sondern auch mit den Erfordernissen, denen er als Vertreter eines existenzbedrohten Fachs entsprechen musste. Ob sein Theoriegebäude, die von ihm betriebene Lehre und Forschung oder sein institutionelles Engagement – Hagemanns gesamtes wissenschaftliches Wirken war geprägt von dem Bemühen, mit der Praxis in Beziehung zu treten und der Disziplin auf diesem Weg die überlebenswichtige Anerkennung zu verschaffen. Sein Ansatz, der zwar die Kritiker aus der Praxis nicht vollends verstummen ließ, aber zumindest im Fach auf große Resonanz stieß, fand jedoch Ende der 1950er Jahre ein abruptes Ende. Nach einem öffentlichen Auftritt an der Seite von Walter Ulbricht in der DDR wurde Walter Hagemann aus der Fachgemeinschaft ausgeschlossen, und ohne wissenschaftliches Erbe geriet sein praxisorientierter Ansatz schon bald wieder in Vergessenheit.
url https://www.nomos-elibrary.de/10.5771/2192-4007-2012-2-225
work_keys_str_mv AT thomaswiedemann praxisorientierungalsuberlebensstrategie
AT marialoblich praxisorientierungalsuberlebensstrategie
AT michaelmeyen praxisorientierungalsuberlebensstrategie
_version_ 1725222971622031360