Beethovens Violinkonzert als Modellfall. René Leibowitz’ und Rudolf Kolischs Projekt einer ›werkgerechten Interpretation‹

René Leibowitz’ Auftreten gegen die (aus seiner Sicht) ›entstellende‹ Interpretations- und Orchesterpraxis seiner Zeit und sein Bemühen, Beethovens Werken zu zeitgenössischen Interpretationen eigenen ästhetischen Rechts zu verhelfen, bilden eine Konstante in seinen zahlreichen Schriften und Äußerung...

Full description

Bibliographic Details
Main Author: Thomas Glaser
Format: Article
Language:deu
Published: Olms (only printed volumes 2003-2017) 2017-06-01
Series:Zeitschrift der Gesellschaft für Musiktheorie
Subjects:
Online Access:https://storage.gmth.de/zgmth/pdf/891
Description
Summary:René Leibowitz’ Auftreten gegen die (aus seiner Sicht) ›entstellende‹ Interpretations- und Orchesterpraxis seiner Zeit und sein Bemühen, Beethovens Werken zu zeitgenössischen Interpretationen eigenen ästhetischen Rechts zu verhelfen, bilden eine Konstante in seinen zahlreichen Schriften und Äußerungen zu Beethoven. Aufführungspraktische Details von Leibowitzʼ Beethoven-Deutungen und seine Versuche um eine ›werkgerechte Interpretation‹ können hier aus dem Austausch mit dem Geiger Rudolf Kolisch sowie aus den bei Einspielungen verwendeten Orchestermaterialien abgeleitet werden, die sich als Nachlassdokumente erhalten haben. In ihrem Radiogespräch »Aufführungsprobleme im Violinkonzert von Beethoven«, das 1964 die gemeinsame Aufnahme des Konzerts flankierte, setzen sich Leibowitz und Kolisch zum Ziel, Probleme der zeitgenössischen Aufführungspraxis aufzudecken. Beethovens Violinkonzert wird für Leibowitz und Kolisch so zum Modellfall. Die Auseinandersetzung mit Beethoven, die bei beiden Interpreten vor dem Hintergrund ihres durch die musikalische Moderne des 20. Jahrhunderts geprägten Musikdenkens zu lesen ist, eröffnet die Möglichkeit, den Blick auf einen Ausschnitt in der Aufführungsgeschichte der Werke Beethovens zu richten. Der Beitrag zeigt so auch, dass Leibowitz’ Interpretation nachhaltig von der Aufführungslehre der Wiener Schule geprägt wurde. // René Leibowitz’ campaign against what he considered the ›corrupt‹ performance and orchestral tradition of his time and his efforts to do aesthetic justice to Beethoven’s works through contemporary interpretations form an integral part of his numerous writings and statements on Beethoven. Leibowitz’ exegesis of Beethoven, the details of his performance practice and his attempts to realize ›adequate‹ interpretations can be traced back to Leibowitz’ exchanges with the violinist Rudolf Kolisch and studied in the orchestral scores and parts used for recordings (now in the estate of Leibowitz). In their 1964 radio conversation “Aufführungsprobleme im Violinkonzert von Beethoven” (“Problems of Performance in Beethoven’s Violin Concerto”), produced around the time of their recording of Beethovenʼs violin concerto, Leibowitz and Kolisch aim to expose the performance practice problems of their day for which Beethoven’s violin concerto serves them as a model. Against the background of their aesthetics of music, shaped by twentieth-century musical modernity, their study of Beethoven provides the opportunity to focus on one part of the performance history of Beethoven’s works. The present essay thus also demonstrates the extent to which Leibowitz’ interpretation was shaped by the Second Viennese School’s theory of performance.
ISSN:1862-6742